Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition)
sechs Uhr, und die Damen traten eben herein. Er war stets eine Art Liebling derselben gewesen, und ein paar der lebhaftesten und mutwilligsten – deren einige es in fast allen Schauspielerinnen – wie anderen Gesellschaften gibt – lobten zuerst sein Spiel und zogen ihn sodann mit einem anderen Gegenstande auf.
»Joe ist so unendlich beliebt geworden,« sagte die eine, »daß er sich nach einem Liebchen umsehen sollte.«
Hier blickte Joe nach Miß Hughes, und errötete noch weit stärker.»Sehr wahr,« fiel die zweite ein. »Was sagen Sie zu einer von uns, Joe?«
Joe wurde so betreten, daß sein Aussehen ein allgemeines Gelächter erregte.
»Wenn ich nicht sehr irre, meine Damen,« nahm Mrs. Lewis das Wort, »so hat Joe bereits ein Liebchen.«
Eine andere Dame sagte, sie wisse bestimmt, daß er deren zwei, noch eine andere, daß er deren drei hätte, und so fort. Er stand unterdessen mit gesenkten Blicken fast außer sich vor Unruhe und Verdruß da, zu denken, daß Miß Hughes diese Anklagen hörte und ihnen vielleicht gar Glauben schenkte.
Er eilte endlich hinaus, überlegte noch reiflicher, und gelangte bald zu dem Schlusse, daß Mr. Hughes’ schöne Tochter einen unauslöschlichen Eindruck auf sein Herz gemacht habe und daß er gar nicht heiraten möchte, wenn sie ihn nicht erhörte, in welchem Falle er für immer unglücklich sein würde; anderer ähnlichen Folgerungen nicht zu gedenken, wie sie von jungen Leuten aus gleichen Vorsätzen gezogen zu werden pflegen. Mehrfache Sorgen und Befürchtungen begleiteten jedoch die Entdeckung. Der gewünschten Verbindung schien sich in seinen und der Dame so verschiedenen Verhältnissen ein fast unüberwindliches Hindernis entgegenzustellen; er hatte keinen Grund zu glauben, daß Miß Hughes andere Gefühle für ihn hege, als solche, die sie gegen den Sohn einer Freundin, welche sie schon lange gekannt hatte, zu unterhalten geneigt sein möchte. Diese Betrachtungen machten ihn so unglücklich, als der leidenschaftliche Liebhaber zu sein wünschen konnte. Er aß wenig, trank wenig, schlief noch weniger, verlor seine heitere Laune und ließ mit einem Worte eine große Menge von Krankheitsanzeichenblicken, dergleichen unter allen Umständen bedenklich gewesen sein würden, es aber besonders bei einem Patienten waren, bei welchem die Erfüllung seiner schwachen Hoffnungen hauptsächlich davon abhing, daß er sich seine humoristische heitere Laune bewahrte.
Drittes Kapitel
Glückliche Liebeswerbung. – Ein Unfall und die »Grimaldi-Tinktur«. – Wachsende Gunst des Publikums. – Einbruch durch eine Diebesbande. –
Daß eine mit dem lustigen Bühnensohne so jäh erfolgte gründliche Wandlung seiner Umgebung und vor allem seiner ihn zärtlich liebenden Mutter nicht verborgen bleiben konnte, läßt sich wohl annehmen, besonders wenn er immer unter ihren Augen lebt. Natürlicherweise suchte man hinter den Sachverhalt zu kommen, konnte aber die Wahrheit nicht aus ihm herausbringen. Seine näheren Bekannten erfuhren weiter nichts, als daß er sich nicht recht auf dem Posten befände, daß ihn die Rollen, die er zu spielen hätte, stark in Anspruch nähmen, und was dergleichen Ausflüchte mehr waren.
Was der Mutter am meisten auffiel und wofür sie gar keine Erklärung finden konnte, war, daß er sich gar nicht mehr in der Garderobe sehen ließ, während er doch seither dort noch tagtäglich erschienen war, und daß er sein Glas Tee entweder gar nicht mehr vorm Auftreten, oder schon zuhause trank.
Dies hatte indessen keinen andern Grund, als daß es ihm widerstrebte, im Beisein von Miß Hughes von den anderen Damen gehänselt zu werden, und gerade von diesen selbst darüber, daß er sich ärgere. Ihm war das so ärgerlich, daß er lieber ihrer Gesellschaft aus dem Wege ging.
So ging es ein paar Wochen hindurch, bis er einmal abends während der Vorstellung, um einen nötigen Gegenstand zu holen, doch wieder in der Garderobe erschien, und sich dort, statt seiner alten Freundin, Frau Lewis, Miß Hughes gegenüber sah.
Zeigt in solchem Falle die Dame ein bißchen Interesse, so faßt der Herr leicht Mut, aber Miß Hughes ließ von Interesse nichts verspüren, sondern sagte nur:
»Ei, Joe, ich habe Sie ja volle vierzehn Tage nicht gesehen, wo blieben Sie denn seither? Und warum sieht man Sie auch beim Tee nicht mehr?«
Ihr freundlicher Ton flößte dem Liebenden doch einigen Mut ein, unter einigen Anstrengungen erwiderte er:
»Mir ist nicht recht
Weitere Kostenlose Bücher