Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition)
eine Beleidigung persönlicher Natur hatte Mr. Hughes Grimaldis Ansuchen nicht aufgefaßt. Das war immerhin ein Vorteil, wenn auch noch kein großer… Mr. Hughes schien also mit sich reden lassen zu wollen. Zu diesem Schlüsse gelangte Joe nach vielem Überlegen, und durch Mariechens Wiederkunft wurde er auch nicht trübseliger gestimmt.
Aber auf ihres Papas Schreiben schien sie nicht viel geben zu wollen, denn sie las es kaum durch, als Joe es ihr zeigte, sagte vielmehr, als er sich darüber wunderte:
»Ja, Sepp, wenn ich dir die Wahrheit sagen soll, so ist Papa schon wieder zu Hause. Gestern habe ich ihn zum ersten Male wiedergesehen und er sagte mir bei der Gelegenheit, ich solle dir sagen, daß er dich am Montag früh in seiner Stube erwarte.«
Grimaldi schnitt ein Gesicht, wie ein Gerber, dem alle Felle weggeschwommen sind.
»Aber sei doch nicht töricht,« tröstete ihn Mariechen »ich sollte meinen, du könntest eher recht vergnügt dreinschauen.«
Aber Grimaldi wußte nicht, ob er hoffen oder fürchten müsse, und so brauchte es Zeit und Weile, bis es Mariechen gelang, ihn heiter zu stimmen. Sie selbst hatte Hoffnung, kannte sie doch ihres Papasgutes Herz… Schließlich sah also der verliebte Sepp der Stunde, die über sein Schicksal entscheiden sollte, mit Ruhe entgegen.
Endlich kam der bedeutungsvolle Montag. Seine Unruhe nach besten Kräften zu verbergen suchend, begab Grimaldi sich nach Sadlers-Well und traf dort den Vater seiner Herzallerliebsten im Kassenzimmer.
Mr. Hughes sagte ihm freundlich guten Tag, sagte ein paar gleichgültige Worte, setzte dann aber ernster hinzu:
»Sie wollen uns also verlassen, lieber Grimaldi, Sadlers-Wells und all Ihre alten guten Freunde? Und allein aus dem Grunde, weil Ihnen anderswo ein paar Pfund mehr geboten werden?«
Grimaldi war so verdutzt, daß er im ersten Augenblick kein Wort über die Lippen bringen konnte. Er sammelte sich aber rasch und erwiderte:
»Aber, Mr. Hughes, mein Ehrenwort, daß ich mit keinem Gedanken an so etwas gedacht habe… Es ginge doch schon deshalb nicht, weil ich mich Ihnen kontraktlich verpflichtet habe.«
»Sie denken wohl nicht daran, mein Lieber,« antwortete Mr. Hughes in strengem Tone, »daß Ihr Kontrakt abgelaufen ist?«
Das stimmte. Daran hatte Grimaldi nicht gedacht. Das also mußte er zugestehen.
»Es ist recht auffällig, mein lieber Grimaldi,« fuhr Mr. Hughes fort, »daß Ihnen ein so wichtiger Umstand aus dem Gedächtnis kommen konnte… Aber eins: Kennen Sie Mr. Croß?«
Mr. Croß war der Direktor des Zirkusses, aus dem später das Surrey-Theater wurde, und hatte Grimaldi wiederholt unter sehr günstigen Bedingungen für sich gewinnen wollen, zum letzten Male erst vorwenigen Tagen. Grimaldi hatte sich aber immer ablehnend verhalten, denn er hatte nicht die geringste Lust, Sadlers-Wells zu verlassen, wo er seit seiner Kindheit beschäftigt gewesen und sein Brot gehabt hatte.
Er merkte im Nu, daß ihn jemand bei Mr. Hughes anzuschwärzen versucht hatte. Zufällig hatte er die letzte Zuschrift, die er von Mr. Croß erhalten, bei sich, auch die Abschrift der Antwort, die er darauf gegeben, und überreichte sie Mr. Hughes zum Beweise seiner Rechtfertigung.
»Ich bin mit Mr. Croß nicht bekannt, Mr. Hughes,« sagte er dabei, »bin aber sehr froh, die zuletzt mit ihm gewechselten Briefe bei der Hand zu haben und Ihnen vorlegen zu können.«
»Sehr schön, sehr schön,« antwortete Mr. Hughes lächelnd, »und da Sie auf dem Standpunkte stehen, keinen Quartierwechsel zu lieben, wollen wir doch gleich über das neue Engagement sprechen. Ich zahle Ihnen jetzt vier Pfund in der Woche. Sie sollen hinfort drei weitere Saisons verpflichtet sein, in der ersten sechs, in der zweiten sieben, in der dritten acht Pfund wöchentlich bekommen. Ist’s Ihnen recht?«
Das war mehr als Grimaldi gerechnet hatte, und er sagte mit freudigem Herzen Ja. Mr. Hughes schien an der sofortigen Regelung gelegen zu sein, denn er ließ zwei Zeugen holen, und der Vertrag wurde ohne weiteres ausgefertigt und unterschrieben.
Hierauf wechselten sie noch einige Worte. Dann stand Mr. Hughes auf und sagte:
»Wir sehen uns wohl heute abend noch einmal. Ich will mir nämlich den Blaubart im Drury-Lane ansehen.« An der Tür drehte er sich aber noch einmal um und fragte: »Sonst haben Sie nichts auf dem Herzen?«
Jetzt war der Moment gekommen. Jetzt galt es, oder nie! Grimaldi spornte seinen Mut, gab seinenWünschen und Bitten Ausdruck, erst in
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