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Delta Operator (German Edition)

Delta Operator (German Edition)

Titel: Delta Operator (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marco Gruber
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pflichtbewusst zurück und wunderte sich über den Smalltalk, der sich hier abspielte. Gab es Nebensächlichkeiten auch in den höchsten Kreisen, fragte sie sich. Anscheinend. Irgendwie beruhigend, fand sie. Ganz im Unterschied zum Inhalt des Koffers mit dem leicht scherzhaften Spitznamen „The Football“. Was sich hier auf Nina Williams’ Schoß im Inneren des Koffers befand, schien ihr alles andere als beruhigend. Entgegen dem weit verbreiteten Glauben, dass es Zündschlüssel für die Nuklearraketen waren, hielt Williams die täglich von der National Security Agency aktualisierten Goldcodes in ihren Händen, mit denen sich der Präsident im Ernstfall gegenüber dem Kommando der Nuklearstreitkräfte identifizieren konnte. Weiters befand sich der so genannte SIOP-Plan im Koffer. Darunter versteht man eine immer topaktuelle  Auflistung von über eintausend militärischen Zielen, mit denen die Atomraketen programmiert sind. Zu guter Letzt gab es noch ein Handbuch für den Präsidenten, in dem die nötigen Schritte im Ernstfall und die Konsequenzen eines nuklearen Schlages mit Hilfe von Comics beschrieben waren. Letzteres fand Williams besonders bemerkenswert. Es handelte sich bei den Comics um ausgesprochen schlecht verfasste Zeichnungen, die der Präsident in einer kaum vorstellbar stressüberladenen Situation betrachten sollte und die ihm als Entscheidungshilfe dienen sollten. Sehr bedenklich eigentlich.
    „Keine Bange, ist nur ein Routinejob, Commander. Etwas Entspannung für Ihr hübsches Köpfchen“, grinste der Präsident und sah Williams dabei lange an. Etwas zu lange, für ihren Geschmack.
    Sie verzichtete darauf, irgendetwas zu sagen, da sich ihre durch Medienberichte gebildete Meinung, es handle sich bei dem Präsidenten um ein chauvinistisches Arschloch, durch seinen Blick auf ihre Beine noch bestärkte. Im Gegensatz zu vielen anderen Frauen fühlte sie sich durch absolute Macht nicht magisch angezogen. Ganz im Gegenteil: Je mächtiger ein Mann war, desto vorsichtiger war Williams.
    Sie zupfte an ihrem Mantel und verdeckte ihre Beine, dann wich sie dem Blick des mächtigsten Mannes der Welt aus und sah aus dem Fenster auf die ewige Stadt, die im Smog vor ihr lag. Das Telefon läutete und einer der Agenten reichte Marvin James den Hörer. Als er mit tiefer Stimme mit dem Außenminister, der sich gerade auf einer heiklen Mission im Iran befand, zu sprechen begann, verzichtete er darauf, Williams weiterhin zu betrachten. Für den Moment war er abgelenkt.
    Wie war es nur zu dieser Situation gekommen?, fragte sich Nina Williams nicht zum ersten Mal. Warum zum Teufel hatte man sie kurz vor dem Auslaufen der USS George H. W. Bush vom Träger geholt und direkt zum Flughafen von Neapel gebracht, wo die Air Force One und der verdammte Football bereits auf sie gewartet hatten? Warum war es ausgerechnet sie gewesen, die den mit Blinddarmdurchbruch ausgefallenen Schreibtischhengst aus Washington ersetzen musste, der planmäßig den Koffer wie ein bescheuerter Page hinter dem Präsidenten herzutragen hatte und dabei zunehmend verdummen musste? War sie wirklich der einzige verfügbare Offizier mit „Yankee White“-Sicherheitseinstufung gewesen, also der einzig verfügbare Offizier, der befähigt war, den obersten Gepäckträger der Nation zu spielen? Sie gehörte an Bord ihres Schiffes, musste die nachrichtendienstlichen Erkenntnisse des Verbandes auswerten und für den Captain des Trägers als Entscheidungsgrundlage aufbereiten. Der kommandierende Admiral des Verbandes würde dann mit ihrem Captain gemeinsam Entscheidungen aufgrund ihrer Aufklärungsdaten und den daraus gezogenen Schlüssen treffen. Sieg und Niederlage hingen maßgeblich davon ab, ob sie ihre Arbeit richtig machte. Und das tat sie. Sie war die beste Nachrichtenoffizierin in der gesamten Sechsten Flotte und sollte bei diesem wichtigen Manöver mit den Israelis unbedingt dabei sein. Stattdessen saß sie hier in diesem protzigen deutschen Wagen und wurde von einem alten, lüsternen Kotzbrocken mit Blicken ausgezogen. Das hatte sie nicht verdient und würde sie sich auch nicht lange gefallen lassen. Eine Zurechtweisung für den Präsidenten war doch auch mal was Neues, zumal sie sie auf jeden Fall geschickt verpacken musste, um ihn nicht zu sehr vor den Kopf zu stoßen. Welcher verdammte Idiot auch immer für ihre Versetzung hierher verantwortlich war, konnte sich auf was gefasst machen, wenn sie wieder auf dem Träger war.
    Damit waren ihre Gedanken

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