Dem eigenen Leben auf der Spur
spanischen Pampa, wo es nicht einmal Handyempfang gibt, womöglich auf Lieferungen aus Deutschland warten müssen. Ein kleines Ersatzvorderrad, Kugellager und alle Arten von Schrauben mussten daher mitgenommen werden. Hinzu kamen Flickzeug, Verbandszeug, der Schlafsack, und schon war die umfunktionierte Radtasche mehr als voll.
Nach dem Einpacken der Ausrüstung, das mich jedes Mal wieder anstrengt, folgt die allmorgendliche Befestigung der Radtasche am Rollstuhl. Das ist die reinste Tortur für mich. Die Tasche wird an sieben Befestigungspunkten mit Klickverschlüssen am Rahmen des Rollstuhls montiert, wobei sich vier der Punkte nahe den Hinterrädern befinden und sich nur von der Außenseite greifen lassen, wenn man durch die Speichen fasst. Eine akrobatische Aktion. Mittlerweile habe ich jedoch Übung und wirble den Stuhl Pirouetten drehend herum, um an die Befestigungspunkte zu kommen. Ein leerer Stuhl, der tanzt. Egal wie sehr ich mich beeile, die Aktion dauert immer über fünf Minuten, je nach Sitzgelegenheit, von der aus ich das Gefährt bearbeite.
Der Weg ist das Ziel
Sind es die 37 Kilometer des gestrigen Tages, die mir in den Knochen stecken, weshalb es mir wie eine Ewigkeit vorkommt, bis ich im Morgengrauen, natürlich mit der Polizeiweste bekleidet, die Straße erreiche, die zum Ort hinausführt? Auf alle Fälle geht es jetzt erst mal richtig bergauf.
Absolute Stille. Wie ein Teller breitet sich die Hochebene aus. Der harte Feldweg lässt mich wie in Trance vorankommen, die Bewegung ist eher mechanisch. Ab und zu passiere ich ein Weidegatter, Tiere sind nicht zu sehen. Ein Weidetor steht an einer furchigen Steigung, ich habe Glück, es ist geöffnet, und ich durchfahre es mit Schwung.
Schon seit Stunden bin ich absolut allein. Ich bin so glücklich, diesen Weg ungestört genießen zu können und umherzuschauen, ohne auf etwas fokussiert zu sein. Nichts Bestimmtes wird von mir gefordert, weder Aufmerksamkeit, noch Dankbarkeit oder Anstrengung, ich darf einfach nur da sein und mit offenen Augen alles in mich aufnehmen. Kleinigkeiten wie eine unscheinbare Blume am Wegesrand, die der Trockenheit erfolgreich trotzt, werden in meiner Wahrnehmung groß, und im nächsten Augenblick habe ich vergessen, was ich im Vorangegangenen gedacht oder gefühlt habe. Eine Reise nach innen findet statt, es ist, als ob sich Schleier lichten würden. Ich bin bei mir angekommen.
Dass ich etwas wage, was objektiv fast unmöglich erscheint, berauscht mich geradezu. Wie oft hatte ich selbst Zweifel, ob ich es schaffen würde. Jetzt läuft es so leicht, als ob der Weg auf einer asphaltierten flachen Uferpromenade entlang führen würde!
In Fuente de Cantos, der Geburtsstadt des Barockmalers Francisco de Zurbarán, fliehe ich vor der Hitze in eine Herberge, die gleichzeitig Museum ist. Vor Erschöpfung schlafe ich auf der Couch in der Empfangshalle beinahe ein, doch der Herbergsvater fordert mich auf, in das im gleichen Gebäude befindliche Restaurant weiterzugehen. Er scheint nicht einsehen zu wollen, dass ich mich als staubbedeckter Pilger auf seiner Couch herumlümmle.
Magdalena, die Köchin, serviert mir das klassische 3-Gänge-Menü, bestehend aus passierter Tomatensuppe, Hackbällchen mit den typischen fettigen Pommes frites und Kuchen. Dazu nehme ich Elektrolyte in Form von alkoholfreiem Bier zu mir, schließlich möchte ich noch weiter.
Magdalena kommt aus Sevilla, sie lebt schon seit zwanzig Jahren in Fuente de Cantos. Genau wie viele der Gäste liebt sie die Stille hier sehr. Um diese Jahreszeit ist es besonders ruhig, nur eine Handvoll Gäste kommen pro Nacht, Pilger kaum. Das ehemalige Kloster ist erst kürzlich vollständig renoviert worden, wobei auch an rollstuhlgerechte Einrichtungen gedacht wurde.
Für mich bleibt es eine Art russisches Roulette, diese Häuser zu finden, denn mein Wanderführer macht dazu keine Angaben. Die Pilger, die diesen Weg gegangen waren und mit denen ich im Vorfeld gesprochen hatte, rieten mir einhellig von der Idee, hier zu wandern, ab. Vermutlich brannten zu Hause jetzt einige Kerzen für mich.
Schlafsack, Reiseführer und Erinnerungen
Den Hut tief ins Gesicht gezogen bin ich mir nicht sicher, das Richtige zu tun, als ich am späten Nachmittag weiterziehe. Wie so oft, wenn ich nicht wirklich weiter möchte und trotzdem losgehe, verlaufe ich mich und gehe in die entgegengesetzte Richtung, einmal um die ganze Stadt herum.
Eine halbe Stunde lang frage ich
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