Dem Feuer zu nah
dass ein Prinz höflich sein musste? Hatten die meisten davon ihren Thron nicht im Kampf erobert?
Ja, sie konnte sich Jared gut als Märchenprinz vorstellen. In ihrer Art von Märchen. In einer dramatischen Geschichte, die zur Legende geworden und über die Jahrhunderte weitererzählt worden war, bis irgendjemand sie zensiert und entschärft hatte, um sie den Kindern vor dem Einschlafen vorlesen zu können.
Krieger, Rächer, Abenteurer. Ja, das war der Prinz, den sie erschaffen wollte.
Die Arbeit begann ihr Spaß zu machen. Dass sie mit dem Herzen, dem Kopf und den Händen etwas zum Leben erwecken konnte, faszinierte sie immer wieder. Aber es tröstete sie nicht immer. Denn wären die Umstände anders, hätte sie ihren Lebensunterhalt nicht mit Aufträgen verdient, sondern allein mit dem, wozu Herz und Kopf sie inspirierten. Sie hätte gemalt, was sie sah, was sie fühlte, was sie wollte – einfach nur aus Freude am Malen.
Aber sie hatte Glück, es überhaupt so weit gebracht zu haben, das hielt sie sich oft vor Augen. Für sie hatte es keine Kunstakademie gegeben, nicht einmal Abendkurse, sondern nur kurze Momente mit Zeichenblock und Buntstiften in der Mittagspause oder frühmorgens vor der Arbeit. Träume, die niemand verstanden hatte.
Ja, sie hatte Glück, denn das Geld, das sie verdiente, erlaubte es ihr, eigene Bilder zu malen und es als harmloses, nicht sehr teures Hobby auszugeben.
Rasch, ganz spontan schmückte sie den Entwurf aus. Das Grübchen neben dem sinnlichen Mund, der arrogante Schwung der Braue, die Andeutung eines muskulösen Körpers unter dem Umhang, das gefährliche Glitzern in den Augen, die sie später bestimmt grasgrün ausfüllen würde.
Die Begegnung mit Jared MacKade war anders verlaufen, als sie es sich gewünscht hatte, aber wenigstens war er das ideale Modell für diesen Auftrag. Es würde eine gelungene Illustration werden. Mehr konnte sie nicht verlangen.
Niemals hätte sie mit dem Gedanken spielen dürfen, für Jared zu malen oder Bilder zu verkaufen, die sie nur für sich selbst gemacht hatte.
Als sie einen Wagen hörte, erstarrte sie und kämpfte gegen die Hoffnung, die gegen ihren Willen in ihr aufkeimte.
Doch als sie die Tür öffnete, stand nicht Jared, sondern Regan MacKade vor ihr. Die beiden Frauen musterten einander kühl. Savannah zögerte, bevor sie die Besucherin doch noch mit einer knappen Handbewegung hereinbat.
„Ich weiß nicht, was zwischen Ihnen und Jared los war”, begann Regan ohne Umschweife. „Und falls Sie glauben, das gehe mich nichts an, irren Sie sich. Er ist der Bruder meines Mannes. Aber ich möchte wissen, warum Sie mich nicht ausstehen können. Offenbar so wenig, dass Sie lieber auf einen lohnenden Auftrag verzichten, anstatt gelegentlich mit mir zusammenzuarbeiten.”
„Ich lege keinen Wert auf den Auftrag.”
„Das ist eine Lüge.”
Savannahs Gesicht verfinsterte sich. „Jetzt hören Sie mir einmal zu …”
„Nein, Sie hören mir zu.” Regan stach mit dem Finger in die Luft. „Wir müssen nicht befreundet sein. Ich habe genug Freunde. Mich wundert allerdings, wie wir beide gleichzeitig mit einem so großartigen Menschen wie Cassie Dolin befreundet sein können. Cassie bewundert Sie, und es steht mir nicht zu, ihr zu sagen, wie unhöflich Sie sind. Als Jared mit Ihnen über den Auftrag sprach, waren Sie durchaus daran interessiert. Jedenfalls genug, um sich unser Haus anzusehen. Rafe hat mir erzählt, dass alles in Ordnung war, bis ich hereinkam. Was ist Ihr Problem?”
Savannah wusste nicht, ob sie wütend sein oder sich amüsieren sollte. Die Frau imponierte ihr. Sie wollte sie nicht anlügen. „Mir gefällt Ihr Aussehen nicht.”
„Ihnen gefällt… Wie bitte?”, fragte Regan verblüfft. „Und die Art, wie Sie reden, auch nicht.” Savannah lächelte zufrieden. „Lassen Sie mich raten – teures Internat, Tanz im Country Club, Debütantin auf dem feinsten Ball der Saison.”
„Ich war nie Debütantin.” Wäre Regan nicht so verdutzt gewesen, hätte sie sich gekränkt gefühlt. „Und selbst wenn, was hätte das mit uns zu tun?”
„Sie sehen aus, als stammten Sie direkt aus einem dieser Hochglanzmagazine für verwöhnte Frauen.” Regan hob die Hände. „Das ist alles?” „Ja, das ist alles.”
„Nun, Sie sehen aus wie eine dieser Statuen, denen die Männer früher Jungfrauen geopfert haben. Werfe ich Ihnen das etwa vor?”
Sie sahen einander fast eine Minute lang in die Augen. Dann zuckte Savannah
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