Dem Himmel entgegen
herumflattern wie bei mir.”
Sie glaubte, ein Räuspern zu hören, und blickte abrupt zu Harris auf. Weiße Blumenblätter vom blühenden Busch auf der anderen Seite des Geheges lagen auf seinen Schultern. Der Regen hatte das Gelände so aufgeweicht, dass die Mitarbeiter witzelten, sie müssten bald die Kanus herausholen, um von einer Voliere zur anderen zu fahren, wenn es so weiterregnete. Nicht, dass Harris gelacht hätte. Die letzten Tage hatte er vor sich hingebrütet, und seine Miene war so wolkenverhangen wie der Himmel. Er hatte am Abend zuvor kaum ein Wort mit ihr gewechselt, und auch am Frühstückstisch war er sehr schweigsam gewesen. Diese unterkühlte Begrüßung war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Etwas stimmte nicht, dass wusste sie.
“Sehen Sie”, sagte sie und blickte ihn durch den Zaun hindurch an. “Ich weiß, dass Sie sauer sind, weil ich zugestimmt habe, Brady in ein Team mit Clarice zu stecken, damit er ihr bei der Fütterung hilft. Aber Sie machen aus einer Mücke einen Elefanten. Er ist eine gute Hilfskraft, er kennt das Gelände, und Sie wissen so gut wie ich, dass man für manche Aufgaben in der Pflege zwei Leute braucht, damit man die Arbeit sicher erledigen kann.”
Harris wandte ihr das Gesicht zu, und sie konnte sehen, dass er seine Kiefer aufeinander gepresst hatte. Er schien wütend zu sein. “Brady ist
kein
Helfer”, stieß er hervor.
Sie schüttelte verständnislos den Kopf. “Sie betreiben Haarspalterei. Er ist hier, um zu arbeiten und zu helfen, egal, aus welchen Gründen er gekommen ist.”
“
Egal, aus welchen Gründen er gekommen ist?”
fragte er und blickte sie ungläubig an, während er einen Schritt auf sie zu machte. “Er hat, verdammt noch mal, einen Adler angeschossen!”
“Ich weiß, ich weiß”, sagte sie, beugte sich vor und hielt sich am Zaun fest. “Und wenn Sie sich die Mühe machen würden, vorurteilslos auf den Jungen zuzugehen, würden Sie bemerken, dass es ihm wirklich Leid tut! Lijah hat ihm vergeben. Es scheint mir, dass Sie das auch tun sollten.”
Ihre Blicke trafen sich, und sie umklammerte den Zaun. Sie hatte gelernt, dass sein glimmender Zorn furchteinflößender sein konnte, wie sie das von ihrem eigenen Zorn kannte. Aber sie hatte auch gelernt, dass er gerecht war. Nach einer Weile legte sich das Feuer in seinen Augen, und seine Schultern entspannten sich.
“Vielleicht. Lijah hat mir erzählt, dass er schon lange aufgehört hat, nachtragend zu sein. Er hat mir gesagt, dass ein weiser Mann keinen Groll gegen andere hegt und vergeben kann.”
“Ich respektiere seine Meinung”, sagte sie sanft. “Er verbringt mehr Zeit mit Brady als jeder andere. Tatsächlich war er derjenige, der den Vorschlag gemacht hat.”
Harris’ Mund verzog sich zu einem schiefen Lächeln. “Zu Ihnen ist er also auch gekommen? Dieser gerissene Fuchs. Er hat mir gesagt, der Junge hätte Potenzial.”
“Clarice hat dasselbe gesagt. Sie hat ihre Meinung über Brady gründlich geändert. Sie ist zu mir gekommen und hat gefragt, ob Brady ihr Teamkollege werden könnte. Harris, Sie haben mir geraten, das zu tun, was ich für das Beste halte, solange ich in der Klinik bin. Das habe ich getan. Sie können nicht jede Entscheidung, die ich treffe, in Frage stellen. Das wird uns – und jeden anderen in der Klinik – in den Wahnsinn treiben. Clarice brauchte Unterstützung, und Brady war die perfekte Lösung. Das ist alles.” Sie schwieg einen Augenblick und fügte dann wie in einem Plädoyer hinzu: “Ach, Harris, Sie hätten sehen sollen, wie er reagierte, als ich ihm sagte, er dürfe mit den Vögeln arbeiten. Sein Gesicht strahlte, als hätte ich ihm ein Geschenk gemacht.”
Er hörte zwar zu, doch seiner Miene war abzulesen, dass er seine Meinung in diesem Punkt nicht so leicht ändern würde. “Also”, sagte er mit einem Schulterzucken. “Die Sache steht ja offensichtlich schon fest. Was soll ich Ihrer Meinung nach jetzt noch tun oder sagen?”
Sie legte den Kopf schief und musterte ihn, wobei sie sich fragte, ob er, was seinen Einfluss im Center anbetraf, wirklich so begriffsstutzig war. Komm von deinem hohen Ross, und gönn dem Jungen eine Pause, dachte sie.
“Nichts”, erwiderte sie knapp und machte kehrt, um zu gehen.
“Ella …” Er trat an den Zaun und legte seine warme Hand auf die ihre.
Sie drehte sich langsam um, merkte, wie sich ihre Hände berührten, nur getrennt durch diesen Drahtzaun. Sie blickte zu ihm
Weitere Kostenlose Bücher