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Dem Himmel entgegen

Dem Himmel entgegen

Titel: Dem Himmel entgegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Monroe
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und schüttelte den Kopf. “Meine Mutter ist wirklich wütend darüber, das kann ich dir sagen. Es ist nicht so, dass er nirgends hinkönnte. Er hat ein eigenes Haus in St. Helena, und wenn er nur fragen würde, wäre sicher jede Familie sofort bereit, ihn in ihrem Haus aufzunehmen. Aber du kennst ja Lijah. Er will frei sein und das tun können, was er will und wann er will.”
    “Wollen wir das nicht alle?”
    “Was ist dann so merkwürdig daran, dass du fragst?” sagte sie und hob die Stimme, als müsste sie sich oder Lijah verteidigen. “Den umherreisenden Geschichtenerzähler gibt es schon seit dem Mittelalter – damals wurde er nur Barde genannt.”
    “Hey, sei nicht sauer auf mich. Ich habe nichts gegen Lijah gesagt – das würde ich nie tun.”
    Sie atmete scharf ein und ließ dann die Luft langsam wieder heraus. “Okay, ich weiß.” Sie zupfte noch eine Traube ab. “Es ist nur so, dass ich mir Sorgen um ihn mache. Er war auch nicht immer so. Ich denke, es begann alles, als seine Frau und seine Kinder starben.”
    Brady lehnte sich nach hinten und hob beschwichtigend die Hand. “Warte, warte. Langsam. Was ist mit seiner Frau und seinen Kindern?”
    “Sag ihm nicht, dass ich es dir erzählt habe”, erwiderte sie vehement.
    “Wem sollte ich das erzählen? Komm, Clarice”, umschmeichelte er sie.
    Sie steckte eine Traube in den Mund und dachte nach. “Es ist ja nicht so, dass es ein Geheimnis wäre”, sagte sie. “Fast jeder hier weiß darüber Bescheid, also kann ich es dir auch erzählen. Es geschah vor langer Zeit. In den sechziger Jahren, denke ich. Seine beiden Jungs waren eines Tages mit dem Boot zum Fischen rausgefahren, als eine Sturmböe ihr Boot zum Kentern brachte. Sie waren weit draußen, und so ertranken beide.”
    “Verdammt …”
    “Lijah hat nach diesem Unglück keine Geschichten mehr erzählt. Und ich glaube, seine Frau ist nie darüber hinweggekommen. Ich weiß nichts Genaueres, aber sie schien nach dem tragischen Tod der Kinder nicht mehr richtig im Kopf zu sein. Lijah hat sie jahrelang gepflegt, bis auch sie starb – oh, das muss schon zehn oder fünfzehn Jahre her sein. Sie war alles, was ihm auf dieser Welt noch wichtig gewesen war, und nach ihrem Tod legte er seine Werkzeuge zur Seite und hörte auf, Boote zu bauen.
    Das war sein Job. Bootsbauer”, erklärte sie. “Er hat nie Baupläne benutzt, doch die Menschen kamen von überall her, um ein Boot von Elijah zu kaufen. Mein Daddy besitzt eines, und er sagt, er hätte nie etwas Vergleichbares gesehen. Jedenfalls begann Lijah kurz nach dem Tod seiner geliebten Frau, wieder Geschichten zu erzählen.”
    “Aha. Was glaubst du, warum?”
    “Wer kann das schon sagen? Vielleicht fühlt er sich beim Geschichtenerzählen seiner Frau näher? Oder seinen Kindern? Oder vielleicht entführen ihn die Geschichten selbst aus der Realität, und er kann sich ein bisschen in ihnen verlieren?” Sie seufzte und schob noch eine Traube in den Mund. “Ich hoffe, dass es so ist.”
    “Und nun folgt er seinem Adler?”
    “Ich glaube, ja. Er sagt, der Adler habe ihn erwählt.”
    “Vielleicht ist der Vogel sein Totem”, sagte Brady mit einer Spur Sarkasmus in der Stimme.
    Clarice legte den Kopf schräg und schenkte ihm ein schiefes Lächeln. “Ja, vielleicht. Oder vielleicht braucht er etwas, an dem er sich festhalten kann. Auf jeden Fall hat er seinen Frieden gefunden, und Gott weiß, den hat er sich auch verdient.”
    Sie schwieg, und er wusste nicht, ob er etwas sagen sollte. Er konnte nichts hinzufügen, außer: “Er ist ein guter Freund für mich. Ich würde alles für ihn tun.”
    Clarice aß die letzte Traube von der Rebe und kramte ihre Sachen zusammen. “Ich sollte jetzt besser gehen. Ich muss noch eine Menge Hausaufgaben erledigen.” Sie blickte die Straße hinunter und warf dann einen Blick auf ihre Uhr. Als sie wieder zu Brady sah, war ihre Stirn sorgenvoll gerunzelt.
    “Bist du dir sicher, dass ich dich nicht nach Hause bringen soll? Es sieht aus, als würde es gleich anfangen zu regnen.”
    Innerlich war Brady hin und her gerissen zwischen der Möglichkeit, mit ihr zu fahren und sich noch ein wenig mit ihr zu unterhalten, und der Tatsache, dass sie dann auch das heruntergekommene Haus sehen würde, in dem er wohnte. Sein Stolz behielt die Oberhand. “Nein, danke. Ich denke, sie wird gleich kommen, um mich abzuholen.”
    “Es macht mir aber wirklich nichts aus.”
    “Wenn sie kommt, und ich bin nicht da, gibt es

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