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Dem Himmel entgegen

Dem Himmel entgegen

Titel: Dem Himmel entgegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Monroe
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die hier überwinterten – Adler, Eulen, Fischadler –, waren schon in ihren Nestern und zogen ihre Jungen groß. Jetzt war die Zeit, um die Singvögel und die anderen Sommergäste willkommen zu heißen. Frühe Zugvögel steckten bereits ihr Revier ab und häuften Gräser und Zweige in Nester und Nistkästen. Die Umgebung war erfüllt von ihrem Gezwitscher.
    Als sie die Weggabelung erreichten, führte Harris sie den rechten Weg entlang, der zum Bach hinunterführte. Je näher sie dem Gewässer kamen, desto krüppeliger und verknorrter und dichter wurde die Vegetation um sie herum. Ihre Schuhe versanken fast in einem undurchdringlichen Teppich aus Smilax und Jasmin, der den Weg beinahe verdeckte, und um ein Haar fiel sie hin, doch Harris reichte ihr schnell die Hand.
    Die Landschaft war nicht so zerklüftet und bergig wie bei ihr zu Hause in Vermont. Und auch nicht von so lebendigem Grün. Doch je länger sie hier lebte, desto mehr spürte sie, dass sie die beiden Orte nicht vergleichen konnte. Es war, als würde man Orangen mit Äpfeln vergleichen. Die Schönheit des Südens war verführerisch, eher sinnlich als majestätisch. In den kleinen Bächen und Flüssen, die sich durch das Land schlängelten, schienen unzählige Mysterien und Geheimnisse zu wohnen. Sie mäanderten durch die saftigen grünen Marschlandschaften, und es schien, als würden sie wie lebendige Kreaturen im Rhythmus der Gezeiten ein- und ausatmen. Es war ein Land der Mythen und großen Märchen, die von alten Männern und jungen Menschen erzählt wurden – am Kai, an Bord von Booten und an den Esstischen in der ganzen Region.
    Sie liefen durch die dichten Wälder und die undurchdringliche Vegetation, bis sie an einen Ort kamen, wo der Himmel plötzlich wieder unendlich weit wurde und eine Brise durch ihr Haar fuhr, scharf und kühl. Sie hob ihr Kinn und sog die frische feuchte Luft tief ein, die wie ein Elixier durch ihre Adern schoss. Harris hielt an und hob den Arm, um ihr etwas zu zeigen.
    “Das ist mein Bach”, sagte er und deutete auf ein sprudelndes Flüsschen, das sich durch das grüne Sumpfgras und zwischen mächtigen Eichen hindurchschlängelte. Er blickte voller Stolz auf sein kleines Gewässer. “Nicht dass ich den Fluss besitzen würde”, sagte er. “Vielmehr besitzt er mich.”
    “Was für eine wundervolle Aussicht. Wie lange ist es her, dass Sie dieses herrliche Fleckchen Erde gekauft haben?”
    “Oh, vielleicht zwölf oder dreizehn Jahre, damals habe ich noch für den Staat gearbeitet. Ich habe im Francis-Marion-Wald nebenan gearbeitet. Als dieses Stück Land dann angeboten wurde, kam ich gleich herüber, um es in Augenschein zu nehmen. Hurrikan Hugo war kurz zuvor über das Land geweht und hatte Häuser und Bäume zerstört. Grundstücke waren damals für wenig Geld zu haben, also habe ich zugegriffen. Es hat sich gelohnt. Heute könnte ich mir hier kein Stück Land mehr leisten. Der Hurrikan hat damals Awendaw und Georgetown schwer verwüstet. Sogar die Vögel haben darunter gelitten. Das war wirklich unheimlich. Als der Hurrikan vorüber war, kamen wir in den Wald, und es herrschte Totenstille. Unnatürlich. Einige Vögel sind geflohen, bevor der Sturm kam. Ich danke Gott für die Instinkte. Doch viele sind von dem Sturm erfasst und getötet worden.”
    “Hat Sie das damals dazu gebracht, sich für die Rehabilitation und Auswilderung von Greifvögeln zu interessieren?”
    “Ich habe mich schon vorher für diese Tiere interessiert. Seit ich ein Kind war. Mein Großvater hat Habichte geliebt. Er hat mir beigebracht, sie am Himmel auszumachen. Er hat diese Leidenschaft und Liebe für die Vögel an meine Mutter weitergegeben und sie schließlich an mich. Manchmal glaube ich, es liegt in den Genen. Meine Mutter liebte alle Arten von Vögeln, nicht nur Greifvögel. In der Küche hatte sie eine Liste aufgehängt. Wenn immer wir am Himmel einen neuen Vogel entdeckten, trugen wir ihn in die Liste ein. Sie war die erste Person, die mir beibrachte, zu kategorisieren. Außerdem half sie verletzten und kranken Vögeln. Nichts Kompliziertes. Sie hat nur getan, was sie konnte. Damals wuchs in mir der Traum, ein Rehabilitationscenter für Vögel zu gründen. Ich wusste, dass wir es dann besser machen könnten.” Er zuckte die Schultern. “Jahre später tat ich, was ich konnte, und lernte alles über die Tiere. Nach und nach erarbeitete ich mir die Lizenz und die nötigen Geldgeber … es war ziemlich hart. Es dauerte einige Zeit,

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