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Dem Himmel entgegen

Dem Himmel entgegen

Titel: Dem Himmel entgegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Monroe
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sog die Luft ein, straffte die Schultern und fühlte Angst in sich aufsteigen. Der Mann trat ins Licht, und ihre Blicke begegneten sich. Er war ein großer, schlaksiger Typ. Ihre Tanten würde ihn wohl als langes Elend bezeichnen. Sie schätzte ihn auf Ende dreißig, aber das Alter von Männern zu schätzen war immer so eine Sache. Was ihr am wichtigsten erschien, war die Tatsache, dass er sauber und wohlerzogen wirkte. Fast wäre ihr ein Seufzer der Erleichterung entwischt.
    “Hallo. Mein Name ist Harris Henderson”, sagte er und streckte ihr die Hand entgegen. “Sie müssen Miss Majors sein. Bitte, kommen Sie doch rein.”
    Sie erwiderte kurz den Druck seiner warmen, schlanken Hand. Das Bündchen seines weißen Hemdes war ein bisschen ausgefranst. “Ja, das bin ich.”
    “Wie ich sehe, haben Sie den Weg zu uns heraus gefunden. Viele Leute verpassen die Abfahrt.”
    “Ihre Wegbeschreibung war wirklich sehr hilfreich. Vielen Dank.” Sie sah ihn an und faltete unschlüssig ihre Hände vor dem Körper. Er hatte ein ansprechendes Gesicht, fast schon hübsch, und es berührte sie irgendwie, dass er sich die Mühe gemacht hatte, sich für ihr erstes Gespräch ein frisch gebügeltes Hemd anzuziehen und eine Krawatte. Aber eigendlich waren es seine Augen, die sie gefangen nahmen. Sie waren blau, wie die von Marion, jedoch ohne das Misstrauen, das im Blick des Kindes lag. Vielmehr sah er sie offen und aufmerksam an. Vermutlich war er genauso aufgeregt wie sie.
    “Marion haben Sie ja schon kennen gelernt”, sagte er und rieb sich nervös die Hände.
    Ella lächelte das Kind an, keineswegs verärgert darüber, dass es nicht zurücklächelte, und erwiderte: “Oh, ja.”
    “Es ist sehr kalt heute”, stellte Harris fest und schloss die Tür hinter Ella.
    “Ach, ich finde es nicht kalt. Dort, wo ich herkomme, würde man diese Temperaturen für den Januar als mild bezeichnen.”
    “Sie kommen aus Vermont, war es nicht so?”
    “Das stimmt. Aus dem Süden von Vermont. Ich stamme aus einer kleinen Stadt namens Wallingford, aber die letzten Jahre habe ich in Rutland gelebt. Dort habe ich im Krankenhaus gearbeitet, wie Sie ja wissen.”
    “Ja. Es ist ein weiter Weg bis zu uns nach South Carolina.”
    “Das ist es. Aber ich brauchte einen Wechsel und dachte, ich fange mit dem Klima an. Ich musste ziemlich weit weg von Vermont, um endlich einmal Palmen zu sehen.” Sie lächelte zögerlich.
    Harris nickte zurückhaltend und rieb sich erneut angespannt die Hände. “Möchten Sie vielleicht Kaffee? Oder bevorzugen Sie eher Tee?”
    “Oh, Kaffee wäre schön, danke. Mit Milch, bitte.”
    “Fühlen Sie sich wie zu Hause. Ich habe gerade frischen aufgebrüht. Einen Augenblick, ich hole welchen.”
    Während er in die Küche ging, ließ Ella ihre Hände los und sah sich in dem Zimmer um. Die niedrige Decke, die dunkle Holzvertäfelung und die schweren roten Vorhänge hatten eine erdrückende Wirkung. Am Ende des Raumes, in der Nähe der Küche, standen ein runder Holztisch und vier Stühle aus Hartholz. Ein paar weitere alte, zusammengesuchte Stühle und ein verschlissenes Sofa befanden sich vor einem mächtigen Steinkamin, der die östliche Wand dominierte. Ein schwarzer Eisenofen wirkte wie nachträglich in den Kamin eingebaut. Überall hingen prunkvoll gerahmte Fotos von großen fliegenden Vögeln, und mit Büchern voll gepackte Regale nahmen den restlichen Platz an den Wänden ein. Das Zimmer wirkte recht klein. Im Ofen prasselte ein Feuer und erfüllte den ganzen Raum mit einer wohligen Wärme. Ella zog ihre Fleecejacke aus, wohl wissend, dass Marion jede ihrer Bewegungen genau beobachtete.
    “Wo schlaft ihr?” fragte sie das Mädchen fröhlich.
    Offenbar hatte Marions Neugier ihr Misstrauen besiegt, denn sie lief los, um eine Tür an der Seite des Zimmers zu öffnen. Ella folgte ihr, die Finger gekreuzt in der Hoffnung, dass auch der Rest des Hauses ihr gefallen würde. Erwartungsvoll steckte sie ihren Kopf durch die Tür. Ein schmaler Flur teilte das kleine Haus in zwei Hälften. Direkt gegenüber befand sich ein gelb gekacheltes Badezimmer. Es war groß, aber spärlich eingerichtet. Eine Badewanne mit verschnörkelten Füßen war das Prunkstück des Raumes. Die Handtücher hingen schief in den Metallringen, aber Harris hatte extra neue Seifenstücke an die Badewanne und das Waschbecken gelegt. Dies hier war, soweit sie es überblicken konnte, das
einzige
Badezimmer.
    “Hier schläft Daddy.” Marion wies auf

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