Dem Himmel entgegen
an.
“Aber es ist gut für Marion, wenn sie an allem, was ihre Krankheit betrifft, teilhat. Vielleicht hat sie ja selbst einige Fragen.”
“Ich glaube nicht, dass sie Fragen hat.”
“Nein? Sie sollten nicht vergessen, dass
sie
die Krankheit hat.”
Er schwieg, und sie spürte seinen wachsenden Unmut. “Ich will einfach nicht, dass sie Angst vor der Krankheit hat”, sagte er bestimmt.
“Vielleicht hat sie bereits jetzt schon genug Ängste, die ausgeräumt werden müssen.”
Die beiden Erwachsenen starrten sich an und bemerkten jeder die Sturheit des anderen. Keiner von beiden würde nachgeben.
Harris wandte sich wieder an seine Tochter. “Marion, möchtest du dabei sein und zuhören, oder möchtest du lieber in deinem Zimmer spielen?” Offensichtlich versuchte er, seine Tochter davon zu überzeugen, dass die Möglichkeit, in ihrem Zimmer zu spielen, die bessere Alternative wäre.
“Ich will hier bleiben”, entschied Marion, ohne auch nur einen Augenblick zu zögern. Sie lehnte sich mit einem triumphierenden Blitzen in den Augen auf dem Sofa zurück.
Harris presste die Lippen aufeinander. In seinem Blick spiegelte sich sein Ärger wider, doch er gab schließlich nach.
Zwar war es kein richtiger Sieg, denn es hatte ja auch keinen richtigen Kampf gegeben, dachte Ella, aber ihre Position hatte sie deutlich machen können. Wenn er ihr vorschrieb, was sie zu tun hatte, machte ihr Aufenthalt in diesem Haus keinen Sinn. Die Umgebung mochte neu und ungewohnt sein, doch wie man mit einem diabeteskranken Kind umging, war ihr Job.
Es folgte eine lange Diskussion über Marions Krankheit, während der Ella feststellte, dass das Kind, obwohl es an seinem Finger knibbelte und an die Decke starrte, doch sehr genau zuhörte. Ella hatte Erfahrung mit Kindern aller Altersstufen, die an Diabetes litten. Und obgleich sie alle aufgrund ihrer Persönlichkeit und ihrer Reife unterschiedlich reagierten, hatten sie eines gemeinsam. Sie alle wollten wissen, was in ihrem Körper vorging, und vor allem, wie viele Spritzen sie pro Tag über sich ergehen lassen mussten.
“Möchten Sie noch einen Spaziergang machen und sich umsehen, bevor es dunkel wird?” fragte Harris, nachdem das Wichtigste besprochen war.
“Wann sind Marions Zuckerwerte das letzte Mal gemessen worden?”
Ella bemerkte, dass Marion ihre Beine angezogen hatte und gereizt und mürrisch dreinblickte. Harris erblasste.
“Ich habe sie vor Ihrer Ankunft gemessen”, erwiderte er.
Ella sah auf die Uhr. “Seitdem ist viel Aufregendes passiert. Wir sollten noch einmal die Werte checken, bevor wir rausgehen.”
Harris warf einen aufmerksamen Blick auf seine Tochter. Marion schien angespannt auf die Prozedur zu warten, und Ella bemerkte die Unruhe, die in der Luft lag. Wie auf ihr Stichwort begann Marion, wie ein Gespenst zu heulen, schrie und trat um sich. Schon wollte Harris zu ihr gehen, aber Ella streckte ihren Arm aus und hielt ihn zurück. Sie stand unvermittelt auf und stemmte ihre Hände in die Hüften.
“Das reicht jetzt, junge Dame”, sagte mit lauter Stimme, um das Weinen und Kreischen der Kleinen zu übertönen. “Ich werde deinen Blutzucker vier, fünf, sechs Mal am Tag messen müssen, und das Gleiche gilt für die Spritzen. Jeden Tag. Das ist mein Job … Marion, hör mir zu.” Sie trat zu dem Kind, hielt es an den Schultern fest und setzte es zurück aufs Sofa. Ohne auf die Schläge und Tritte zu achten, die Marion austeilte, hielt sie sie fest.
“Marion!” rief sie laut und bestimmt.
Erschrocken hielt Marion den Atem an und verstummte für einen Moment.
Ella nutzte diesen Augenblick und sagte schnell: “Du musst überhaupt keine Angst haben. Ich bin Krankenschwester, ich weiß genau, was zu tun ist, und ich bin gut darin. Tatsächlich habe ich schon sehr viele Spritzen an hunderte von Kindern verteilt.
“Aber es tut weh.”
“Ein bisschen wird es wehtun, das weiß ich, aber wenn du ganz still sitzt, schmerzt es nicht so sehr. Und schon bald wirst du dich daran gewöhnt haben und es gar nicht mehr merken. Das verspreche ich dir.”
Ella sprach schnell, solange sie noch die Aufmerksamkeit des Kindes hatte. “Ich möchte dir etwas zeigen. Ein spezielles kleines Werkzeug.” Sie warf einen Blick über ihre Schulter zu Harris, der mit hängenden Armen in der Nähe wartete, um notfalls eingreifen zu können. “Können Sie mir bitte meinen Geldbeutel geben? Schnell, bitte.”
Marion hatte sich noch immer in einer Sofaecke
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