Dem Himmel entgegen
ziemlich langer Weg zurück. Ich werde Sie begleiten, mein Sohn.”
Sie liefen Schulter an Schulter durch den Schlamm, zurück nach Hause. Die Sonne ging auf, und es versprach ein schöner Tag zu werden. Ohne Vorwarnung begann Lijah zu singen. Seine kraftvolle, tiefe Stimme tönte über die Sümpfe wie eine kühle Morgenbrise, die die Mächte der Finsternis vertrieb. Er sang einen Gullah-Gospel, den Harris vor langer Zeit schon einmal gehört hatte, damals, als er noch ein Kind war, am Edisto River.
I look down duh road, en duh road so lonesome
,
Lawd, I got tuh walk down dat lonesome road
,
En I look down duh road, en duh road so lonesome
,
Lawd, I got tuh walk down dat lonesome road
.
4. KAPITEL
E ulen:
Die Jäger der Nacht. Eulen sind nachtaktive Greifvögel, die der nächtlichen Jagd in Dunkelheit perfekt angepasst sind. Fransige Federn erlauben ihnen lautloses Fliegen, und große Augen und Ohren ermöglichen es, auch in absoluter Dunkelheit und nur über das Gehör geleitet, Beute zu machen. Eulen ruhen den Tag über, aber in der Dämmerung leben sie auf, bereit zu jagen. Die Familie der in South Carolina beheimateten Eulen umfasst den Virginiauhu, den Streifenkauz, die Ostkreischeule und die Schleiereule
.
Auf dem Highway 17, einem lang gestreckten, vierspurigen Highway, fuhr Ella Elizabeth Majors einer ungewissen, doch wie sie hoffte, glücklichen Zukunft entgegen. Sie war nicht auf der Suche nach Magie. Und sie suchte auch nicht nach der großen Liebe. Alles, was sie sich wünschte, war, eine Verschnaufpause auf dem Weg in ein neues Leben einlegen zu dürfen. Eine Pause zwischen dem, was war, und dem, was kommen würde.
Die Straßenkarte lag ausgebreitet auf dem Beifahrersitz ihres kleinen viertürigen Wagens und informierte sie darüber, dass es den Highway schon zu Kolonialzeiten gegeben hatte und er damals King’s Highway genannt wurde. Die Rotjacken, Sklaven und Plantagenbesitzer hatten zur damaligen Zeit diese Straße benutzt.
Für Ella war alles neu. Erst vor einem Monat war sie in Charleston angekommen, und obwohl sie in den Süden gezogen war, um zu bleiben, fühlte sie sich wie ein Tourist aus dem Norden – und so würde sie sich die nächsten zwanzig Jahre noch fühlen, wenn sie den Büchern, die sie über diesen Landstrich gelesen hatte, Glauben schenken konnte.
Ella liebte das Autofahren und war es gewohnt, allein lange Reisen im Wagen zu unternehmen. In ihrer Heimat Vermont hatte sie sich mit ihrem Fahrzeug durch den tiefsten Schnee und Schlamm gekämpft, sie war im Zustand höchster Aufregung und tiefster Verzweiflung und – nach Doppelschichten in der Notaufnahme – mit vor Erschöpfung glasigem Blick gefahren. Sie war im frühen Morgengrauen, wenn niemand außer einigen Bauern auf der Straße war, und in tiefdunkler Nacht unterwegs gewesen, wenn man fast nichts sehen konnte außer den gelb leuchtenden Augen der Waschbären, die zufällig im Scheinwerferlicht ihres Wagens auftauchten.
Aber selbst sie als geübte Fahrerin griff das Lenkrad fester, als sie die enge Cooper-River-Brücke überqueren musste und unter ihr ein riesiger Tanker den Fluss hinabfuhr. Es waren scheinbar nur wenige Zentimeter zwischen Schiff und Brücke. Ellas Fingerknöchel waren weiß, so fest hatte sie das Steuer umklammert, und sie spürte Unbehagen. Doch ein paar Minuten und einige “Gegrüßet seist du, Maria” später hatte sie die Brücke hinter sich gelassen und folgte dem Highway, der sich durch das Städtchen Mount Pleasant zog. Geschäfte und Promenaden säumten die Straße, der Verkehr floss langsam, und die Verkehrsteilnehmer behandelten sich zuvorkommend und mit Respekt. Während sie weiter nach Norden fuhr, wurde die Besiedlung langsam spärlicher. An manchen Stellen standen einige Geschäfte dicht gedrängt und bildeten den Eingang zu prächtigen, eingezäunten Gemeinden. Hier und da fand sich eine wackelige Holzbude an der Straße, in der ein Nachfahre der Sklaven die traditionell handgeflochtenen Weidenkörbe verkaufte. Vereinzelte Tankstellen und kleine, versteckte Häuser, die hinter dem dichten Blattwerk der Bäume nur schwer auszumachen waren, waren die letzten Anzeichen der Zivilisation.
Weniger als eine Stunde, nachdem Ella die Brücke überquert hatte, wurde die Straße kurviger und enger. Nur noch selten begegnete Ella einem anderen Fahrzeug, und riesige Kiefernwälder prägten das Bild. Sie atmete tief durch. In der freien, offenen Ebene fühlte sie sich wohler. Die flache
Weitere Kostenlose Bücher