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Dem Himmel entgegen

Dem Himmel entgegen

Titel: Dem Himmel entgegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Monroe
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machte eine kleine Pause, um sich auf den hölzernen Stiel des Werkzeuges zu lehnen und seine Stirn mit seinem T-Shirt abzuwischen. Als Harris ihn heute Nachmittag aufgefordert hatte, mit dem Graben des Straßengrabens unten beim Gatter zu beginnen, hatte er es erst nicht glauben wollen.
    Er sah die Straße hinunter zu der Kiefer, wo der weiße Hahn auf einem niedrigen Ast saß und ihn beobachtete. “Was zur Hölle ist los?” sagte er zu dem Hahn. “Weiß dieser Idiot nicht, dass die Sklaverei im Süden schon längst abgeschafft ist?”
    Der Hahn blickte ihn nur unbewegt mit seinen dunklen Augen an.
    “Scheiße.” Brady nahm die Hacke, hob sie über seine Schultern und ließ sie dann auf den Boden krachen. “Was weiß Harris denn schon? Er denkt, er sei der König dieses Centers. Jeder springt, wenn er es sagt. Tu dies …” Wieder knallte die Hacke auf den Boden. “Tu das.” Erneut ein Schlag.
    Er guckte den Hahn an, der nicht einmal gezuckt hatte.
    “Ich wette, du springst für niemanden, oder?” Brady lachte über seinen Witz. “Nein”, sagte er und umfasste den Holzstiel mit festem Griff. “Nicht du. Und ich auch nicht. Vor allem nicht für Harris Henderson, so viel steht fest. Von diesen Problemen habe ich zu Hause mit meinem Vater genug.”
    Die Spitzhacke raste wieder zu Boden, und dieses Mal brach sie einen großen Brocken Erde heraus.
    Sein Vater hatte denkbar schlechte Laune, seit der Richter ihm die Jagdlizenz entzogen hatte. Es war ihm egal, dass sein Kind für die nächsten sechs Monate zweimal die Woche arbeiten musste. Es war ihm auch egal, dass sie das Piano seiner Mutter verkaufen mussten, um das Bußgeld zu bezahlen. Brady wusste, dass das, was Roy Simmons nicht akzeptieren konnte, die Tatsache war, dass ihm die Behörden seine einzige Leidenschaft im Leben genommen hatten – nämlich sein 22er-Kaliber-Gewehr auf eine Kreatur zu richten und es in die ewigen Jagdgründe zu schicken.
    Nicht dass Brady es seinem Vater verübelte, wütend zu sein. Er wusste, dass sein Vater darauf angewiesen war, zu jagen und genug Nahrung auf den Tisch zu bringen. Ob Wild, Fisch, Vogel oder auch nur ein schäbiges kleines Eichhörnchen, Fleisch war Fleisch. Und Brady ahnte, dass es am Selbstbewusstsein seines Vaters nagte, dass er nun die Familie nicht mehr versorgen konnte. Brady war Manns genug, um das Problem zu erkennen.
    Was er allerdings seinem Vater sehr verübelte, war, dass dieser seine Wut mit Alkohol betäubte. Er hatte nicht einmal versucht, loszugehen und sich Arbeit zu suchen. Es schien, als würde er langsam, aber sicher in ein tiefes schwarzes Loch gleiten, aus dem er sich allein nicht mehr befreien konnte. Je zorniger er wurde, desto mehr trank er, und umgekehrt. Zu Hause wurde es immer unerträglicher. Seine Mutter konnte die Wunden und Prellungen nicht mehr verstecken. Es waren einfach zu viele. Und sein Vater hatte es auch auf ihn abgesehen. Doch er musste
irgendetwas
tun, damit der Zorn seines Vaters sich ausschließlich auf ihn richtete und nicht mehr auf seine Mutter oder kleineren Geschwister.
    Nicht, dass das schwierig wäre. Kaum. Sein Vater beschuldigte ihn nämlich, der Grund für all die Sorgen zu sein. Roy machte ihn sogar für Dinge verantwortlich, die schon lange vor seiner Geburt passiert waren. Wenn Roy trank, war es egal, wie absurd die Gedanken waren, die ihm gerade durch den Kopf schossen – er glaubte daran. Und nichts und niemand konnte seine Wutausbrüche dann noch stoppen.
    “Eines Tages …”, schwor Brady sich und hob die Spitzhacke wieder hoch über seinen Kopf. Eines Tages würde er fortgehen. So schnell er konnte, wollte er seine Sachen packen und das Haus und seine Familie verlassen und nie mehr zurückkommen. Er wäre dann so wie Lijah und würde im Land herumreisen, ohne Pflichten und ohne Sorgen.
    “Was guckst du so?” knurrte er den Hahn an. Langsam ging es ihm auf die Nerven, wie der weiße Vogel ihn andauernd angaffte. “Hör auf. Starr mich nicht mehr so an.” Er hielt inne, um sich die Stirn abzuwischen und murmelte: “Meinst du, ich sollte dableiben? Wie du? Einfach allem still zusehen? Aber für wen? Für Mommy? Warum packt sie nicht ihre Sachen und verschwindet? Warum bin ich derjenige, der sie beschützen soll? Jetzt sind meine Geschwister mal dran. Ich habe meinen Part erfüllt.”
    Wieder und wieder krachte die Spitzhacke in den Boden, bis er stoppte, um Atem zu holen. Obwohl die Temperatur nur knapp über dem Gefrierpunkt lag, geriet

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