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Dem Himmel entgegen

Dem Himmel entgegen

Titel: Dem Himmel entgegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Monroe
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ihn an, verengte ihre rehbraunen Augen und dachte darüber nach, ob sie ihm antworten sollte oder nicht. Schließlich siegte jedoch ihr Wunsch, die Geschichte zu erzählen, sie drehte sich um und ging auf ihn zu. Einige Meter von ihm entfernt blieb sie stehen.
    “Wir wissen es natürlich nicht absolut sicher. Aber du musst zugeben, dass es merkwürdig ist, dass der Hahn eines Tages einfach herkam und seitdem in dem Baum lebt. Er ist seit einigen Wochen da.”
    Brady zuckte nur die Schultern. Er beobachtete fasziniert, wie sich die wundervoll geschwungenen Augenbrauen von Clarice bewegten, wenn sie sich für ein Thema begeisterte.
    “Harris glaubt, es wäre ein gutes Omen für das Center für Greifvögel”, fuhr sie fort. “Ich hörte, wie er mit Lijah darüber sprach.”
    “Was haben sie gesagt?”
    “Wenn du die Bibel kennen würdest, wüsstest du, dass der Hahn krähte, nachdem Petrus Jesus drei Mal verleugnet hatte.”
    “So? Und was bedeutet das? Dass jemand das Center drei Mal verleugnen wird, oder was?” Als er sah, dass sie erneut ungehalten reagierte, brummte er: “Okay,
tut mir Leid.”
    “Bist du immer so ein Klugscheißer?”
    “Nur manchmal.” Er grinste mit einem so jungenhaften Charme, dass er ihr ein zaghaftes Lächeln entlocken konnte. “Es tut mir Leid. Erzähl weiter.”
    “Lijah sagt, dass Hähne besonders wachsam sind. Sie halten stets die Augen offen.”
    Brady sah zu dem Hahn rüber.
Du auch, wie?
    “Jedenfalls ist Harris davon überzeugt, dass der Hahn das Center ausgewählt hat. Totems tun das. Sie erwählen sich ihre Schicksalspartner.”
    “Aha”, sagte er und kratzte sich abwesend ein bisschen Dreck aus dem Gesicht. “Hey, du gehst doch auf die Lincoln Highschool, wenn ich richtig liege?”
    Sie blickte ihn an, überrascht durch den schnellen Themenwechsel. “Ja. Und?”
    “Also … also, ich auch.”
    “Ich weiß. Ich habe dich dort schon gesehen.”
    “Hast du?” Er war verblüfft. “Die Lincoln ist eine ziemlich große Schule. In welcher Jahrgangsstufe bist du?”
    “Ich bin in der Abschlussklasse.”
    “Dann bist du sicher schon dabei, dir ein College auszusuchen, hab ich Recht?”
    Ihre Miene hellte sich auf, und sie streckte die Schultern. Er konnte sehen, wie stolz sie war. “Ich bin in Stanford angenommen worden. Vorzeitige Entscheidung.”
    “Stanford? In
Californien?”
Er konnte nicht fassen, dass sie den Süden verlassen würde, um an einem College zu studieren, das am anderen Ende des Landes lag. “Das ist weit weg von zu Hause.”
    “Es ist herrlich dort. Ich kann es kaum erwarten, nach Stanford zu kommen. Voraussichtlich werde ich die Vorbereitungskurse für das Medizinstudium schon jetzt belegen. Es ist eine tolle Schule, und – Gott sei Dank – habe ich ein Stipendium bekommen.”
    Er spürte den Neid wie einen Stich in seinem Herzen. Ein Stipendium?
Natürlich
. Sie war dunkelhäutig. Jeder wusste, dass solche wie sie nur die Hand aufhalten mussten und Geld bekamen.
    “Du musst sehr schlau sein.” Seine Stimme troff nur so vor lauter Sarkasmus.
    Sie blickte ihn ernst an. “Ich arbeite hart und bekomme dafür gute Noten.”
    Etwas in seinem Ausdruck brachte sie dazu, sich zu rechtfertigen. Ihre Stimme klang so scharf, als wäre sie wütend und drauf und dran, ihn zu beschimpfen.
    “Du weißt, viele Leute haben heutzutage einen Durchschnitt von 4.0. Sie strengen sich nicht an. Ich habe dagegen viel gelernt und zusätzlich Kurse belegt. Ich denke, dass die Noten meiner Zusatzkurse mir das Stipendium schließlich gesichert haben.”
    Er trat einige Steine weg, fühlte sich dumm. Sie wartete offenbar darauf, dass er sie nach ihren Noten fragte, aber diese Genugtuung wollte er ihr nicht verschaffen. “Und was ist mit dir?” fuhr sie dann fort.
    Er strich sich über die Wange, schaute zur Seite und fühlte, wie der Dolch tiefer in sein Fleisch drang. “Bis jetzt habe ich noch nicht einmal mit den Zusatzkursen angefangen.” Er zuckte leicht mit den Schultern. “Ist sowieso egal. Ich gehe nicht aufs College.”
    “Warum nicht?”
    “Kann ich mir nicht leisten.”
    “Das ist keine Entschuldigung. Du kannst dich immer für ein Stipendium oder finanzielle Unterstützung bewerben. Das Geld ist da draußen. Du kannst nicht
nicht
zum College gehen, weil du kein Geld hast.”
    “Ja, also …” Er zuckte unsicher die Schultern. “Ich denke, du hast meine Noten noch nicht gesehen. Wie gesagt, es ist auch egal. Ich will zu keinem College gehen.

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