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Dem Himmel entgegen

Dem Himmel entgegen

Titel: Dem Himmel entgegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Monroe
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ein Spiel, das die Tiere gerne mögen, und es macht wirklich Spaß, wenn man es richtig spielt. Willst du es ausprobieren?”
    “Warum nicht?” erwiderte sie, nicht sonderlich überzeugt.
    “Dann komm her.”
    Sie setzten sich auf den feinen Kies in der Voliere. Lijah lehnte sich mit einem tiefen Seufzer gegen die Wand. Marion setzte sich im Schneidersitz ganz dicht neben ihn. Nach kurzer Zeit wurde Marion unruhig.
    “Sag doch, wie lange müssen wir noch so hier sitzen?”
    Lijah wandte ihr den Kopf zu, blickte sie fest an und schüttelte ganz langsam den Kopf.
    Sie wand sich ein bisschen, verstand aber, was er ihr damit sagen wollte. Sie saßen eine ganze Weile, die Marion wie eine Ewigkeit vorkam, auf dem Boden. Die Krähen legten die Köpfe schief und betrachteten sie neugierig. Marions Po wurde kalt, und sie musste sich an der Nase kratzen, aber Lijah, der neben ihr saß, rührte sich kein bisschen. Sie dachte an das Kaninchen und versuchte, ganz, ganz still zu sitzen. Tatsächlich kamen die Krähen langsam näher und hüpften auf eine Stange, von der sie eine bessere Sicht auf die beiden Menschen hatten. Marion sah Lijah erwartungsvoll und aufgeregt an, doch er bewegte sich noch immer nicht.
    Dann, zu ihrer grenzenlosen Freude und Überraschung, hüpfte Little Crow auf den Boden und kam sehr vorsichtig und behutsam immer näher an sie heran, wobei er sie unentwegt mit seinen glänzenden schwarzen Augen beobachtete. Marion konnte die Aufregung unter der Haut prickeln spüren. Es war merkwürdig, denn ihr Herz pochte, und sie fühlte sich, als würde sie über eine Wiese rennen, hüpfen und lachen, obwohl sie sich überhaupt nicht bewegte. Als Little Crow dicht bei ihr stand und sie direkt ansah, wusste sie, dass die Zeit gekommen war.
    “Hallo, Krähe”, sagte sie sehr leise.
    Little Crow legte den Kopf schief, sprang aber nicht fort. Dann kam auch Big Crow näher und landete direkt auf Lijahs Schulter.
    Als sie nun zu Lijah aufblickte, sah sie, dass er sie mit funkelnden Augen betrachtete, und ein breites, wissendes Lächeln lag auf seinem Gesicht. Auch sie lächelte von einem Ohr zum anderen. Plötzlich verstand sie, warum es so viel Spaß machte, still und ruhig dazusitzen wie das Kaninchen.
    Die Krähen spielten mit ihr.
    Am selben Abend nach dem Essen verließ Harris das Haus, um seinen allabendlichen Rundgang zu den Käfigen zu machen. Wolken waren aufgezogen, die süßlich riechenden Regen und kühle Brisen mit sich brachten. Es war eine Nacht, in der eine einsame Seele sich nach einer anderen Seele verzehrte. Und für ihn war die andere Seele, mit der er durch diese Nacht gehen wollte, niemand anders als Ella.
    Glockenhelles Gelächter zog seine Aufmerksamkeit auf sich. Als er sich umdrehte und durch das Fenster Ella und Marion erblickte, die an der Spüle standen und lachten, umspielte ein Lächeln seinen Mund.
    In der letzten Zeit hatte er viel gelächelt. Am Morgen, wenn er vom Duft frisch gebrühten Kaffees geweckt wurde. Am Nachmittag, wenn er zum Mittagessen nach Hause kam, und Ella und Marion zusammen im Garten arbeiteten oder Bilder malten. Und am Abend, wenn sie mit den alltäglichen Dingen wie Geschirrspülen oder Wäschefalten oder Haarewaschen beschäftigt waren. Sentimentale Gefühle kamen in ihm auf, was absurd war, denn er hatte solch eine Familienidylle noch nie erlebt. Als Junge aber hatte er immer davon geträumt.
    Ella und Marion waren unzertrennlich geworden, und ob sie gemeinsam lachten oder Ella gerade mit einem von Marions Ausbrüchen umgehen musste, das Band zwischen ihnen war intensiv und spürbar. So hatte er sich die Verbindung zwischen einer Mutter und ihrem Kind immer vorgestellt. Und zwischen Marion und Fannie war es nie so gewesen.
    Warum hatte Fannie nicht auf diese Weise für ihr eigenes Kind empfinden können? fragte er sich. Was in aller Welt konnte eine Mutter dazu bringen, ihr Kind zu verlassen? Hatte
er
sie vertrieben?
    Er wandte sich abrupt ab und setzte seinen Weg fort – weg von den Schuldgefühlen, die ihn immer plagten, wenn er wieder einmal an seine Frau dachte.
    Stattdessen schweiften seine Gedanken wieder zu Ella, und das war so tröstend und so warm wie ihre Fingerspitzen auf seiner Haut. Er lächelte verdrießlich. Bevor sie gekommen war, hatte er befürchtet, sie könne eine Gefährdung für seine kleine Welt darstellen. Er wusste ja nicht, wie Recht er damit haben würde – aber auf eine Art, die ihm nie in den Sinn gekommen wäre. Er hatte noch

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