Dem Killer auf der Fährte
entlocken: Thanksgiving, also Anfang November.
Als wir unser Gespräch beendeten, trank Kevin bereits seine zweite Dose Bier.
»Ich nehme an, du hast es mitgekriegt«, sagte ich zu ihm.
»Kommt Thanksgiving hin? Paßt es zu unserer Theorie?«
Anscheinend, denn er ließ sich von mir die Adresse und Telefonnummer von Faith geben, und ich nehme nicht an, daß er vorhatte, von ihr einen Hund zu kaufen. Dann trank er sein Bier aus und ging.
»Die Männer sind doch alle gleich«, beschwerte ich mich bei den Hunden, die mir mit einem langen Wuuh-Wuuh antworteten, um mich an ihr Abendessen zu erinnern. Hunde sind ganz und gar unvoreingenommene Wesen, und eine der vielen Annehmlichkeiten im Zusammenleben mit ihnen besteht darin, daß man den Hunden einfach alles sagen kann, ohne Angst haben zu müssen, sie könnten deswegen schlecht von einem denken. Außerdem kann man ihnen gegenüber ohne weiteres heute eine Meinung haben und morgen das Gegenteil davon behaupten, ohne daß sie einem diesen Widerspruch Vorhalten würden. »Sie nehmen sich einfach, was sie wollen und verschwinden. Kevin hat sich nicht einmal die Mühe gemacht, danach zu fragen, warum Donna nach einer Unterkunft für dich gesucht hat, Kimi.«
Sie stellte die Ohren auf.
»Er hat natürlich keine Ahnung. Aber wir wissen es. Wir wissen sogar eine ganze Menge, und wir verstehen wahrscheinlich noch mehr, als uns lieb ist. Aber was ist mit Donna? Hab ich dir nicht gesagt, daß sie dich liebgehabt hat? Weißt du, was passiert ist? Sie hat Elaine Walsh davon erzählt, was sie mit dir gemacht hat, und diesmal war es die Wahrheit. Sie wollte damit aufhören. Sie hat dich wirklich geliebt, stimmt's?«
Beide Hunde richteten jetzt ihre Blicke unverwandt auf mich. Es war ein paar Minuten vor fünf Uhr. Unter keinen Umständen bekommen sie ihr Abendessen auch nur eine Minute früher als fünf. Immer, wenn sie sich langweilen, tun sie so, als hätten sie Hunger, aber ich gebe dem nie nach, denn was Hunde mehr Schätzen als alles andere - mehr sogar als ihr Abendessen - ist Vorhersehbarkeit. Und wer könnte ihnen das verdenken? Menschen sind doch genauso. Wenn mir zum Beispiel ein verheiratetes Paar begegnet, möchte ich davon ausgehen können, daß der Ehemann männlich und die Ehefrau weiblich ist. Das Geschlecht an sich spielt keine Rolle. Was zählt, ist, daß die Erwartung erfüllt wird.
»Ihr zwei seid großartige Zuhörer«, lobte ich sie. »Also, hört zu: Donna konnte es nicht mehr kontrollieren. Und solange ihr das nicht gelang, mußte sie dich schützen, Kimi. Ich wette, sie hat versucht, dich irgendwo ein paar Tage unterzubringen. Sie ruft also Steve an, und da ist kein Platz. Dann probiert sie es bei Faith, aber da geht es auch nicht. Daraufhin versucht sie es wahrscheinlich noch bei ein paar anderen Adressen. Aber wißt ihr, warum kein Raum in der Herberge war? Es war Thanksgiving und nicht etwa Weihnachten. Der halbe Hundebestand von Boston wird doch zu dieser Zeit in Tierheime und Pensionen gegeben, weil die Leute diese idiotische Vorstellung haben, daß sie einen Feiertag nur genießen können, wenn sie ihren besten Freund ins Gefängnis stecken.«
Die Hunde sahen mich an und wuuhten.
»Sie ist also ziemlich verzweifelt. Vielleicht hat sie Angst, daß sie in eine Krise gerät oder daß sie dich beim nächsten Mal ernsthaft verletzt. Sie braucht Hilfe. Und sie beschließt, die Person zu fragen, die ihr am ehesten helfen sollte, und das ist ihre Therapeutin, Elaine Walsh. Sie packt dir eine Reisetasche und fängt an, einen Brief zu schreiben. Und hier endet die Geschichte, meine Lieben, weil sie ihn nie zu Ende geschrieben hat. Warum? Weil sie vorher etwas gegessen hat. Etwas mit Hüttenkäse. Vielleicht hatte sie vorgehabt, dich zu Elaines Haus zu bringen, oder in ihr Büro. Wir werden es nie erfahren. Und warum nicht? Weil jemand sie vorher umgebracht hat. Und ich wünschte, es wäre jemand gewesen, den ich nicht kenne. Jemand, der keine Hunde mag. Aber wer sollte es sonst sein? Eine Menge Leute haben sich vielleicht Elaines Tod gewünscht. Ben Moss, Sheila oder so ein Feministinnenhasser wie dieser Typ in Montreal. Ich glaube es zwar nicht, aber es wäre immerhin möglich. Aber Donna? Donna war für niemanden eine Bedrohung. Außer für Joel. Er ist der einzige. Der einzige, der einen Grund dafür gehabt hätte, sie beide umzubringen. Und ich habe Kevin immer noch kein Wort davon gesagt, richtig? Na, Abendessen?«
Rowdy kannte dieses magische Wort
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