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Dem Killer auf der Fährte

Dem Killer auf der Fährte

Titel: Dem Killer auf der Fährte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Conant
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nördlicher Richtung nach Arlington, einem Arbeiter-Vorort mit verstreuten Professoren-Enklaven. Dr. Arsenaults Praxis befand sich in einem hellgrauen Zweifamilienhaus mit hölzernen Verkleidungen, das in kleinere Einheiten aufgeteilt worden war. Laut einem Schild an der Fassade wirkten dort ein Versicherungsvertreter, eine Pediküre, ein Kinderarzt und der berühmt-berüchtigte »Dr. Feelgood«, wobei er auf dem Schild natürlich nicht so genannt wurde.
    Da ich, wie gesagt, nicht genau wußte, wie man einen depressiven Eindruck macht, hatte ich mir von Rita ein Buch geliehen und mich an die Fallbeschreibungen gehalten, was, glaube ich, nicht ganz im Sinne des Autors, aber doch sehr nützlich war. Ich hatte mir nicht die Haare gewaschen, mein Gesicht ungeschminkt und winterblaß belassen und vor dem Spiegel Hängeschultern eingeübt. Wenn man zwei Alaskan Malamutes besitzt, ist es schwer, keine freudig glänzenden Augen zu haben, aber ich tat mein Bestes. Die Nervosität war übrigens echt. Arzte machen mich immer nervös, weil ich sie für nicht besonders intelligent halte. Ich meine, was tut man denn als intelligenter Mensch, wenn man beschließt, Medizin zu studieren? Sich auf eine einzige Spezies beschränken? Nein. Als intelligenter Mensch hat man genug Selbstvertrauen, um das gesamte Spektrum abzudecken. Man wird also Tierarzt. Und nur wenn man weiß, daß man dafür nicht intelligent genug ist, studiert man lediglich die Humanmedizin. Hin und wieder ist es für die Angehörigen meiner Spezies unumgänglich, solche Arzte aufzusuchen, aber ich persönlich tue es möglichst selten.
    Dr. Arsenaults Wartezimmer sah fast beruhigend aus.
    Den Boden zierte derselbe urinabweisende Linoleumbelag, und die Sitzbänke hatten denselben Kunststoffbezug wie eine Tierarztpraxis. Aber ich ließ mich nicht täuschen: Der Aufkleber »Hunde verboten« an der Eingangstür war mir keineswegs entgangen.
    Die Stimme, deren nasaler Klang mir vom Telefon bekannt war, kam aus einem dünnlippigen Mund, dessen rote Lippenstiftfarbe an den Rändern in zahllose kleine Fältchen zerlief. Die Nase der Frau war groß und unförmig, und ihre Augen lagen so tief in den umliegenden Falten verborgen, daß es unmöglich war, ihre Farbe zu erkennen, aber ihr Haar war, bis auf die fünf grauen Zentimeter an den Wurzeln, von einem leuchtenden Rot. Mehr konnte ich von ihr nicht sehen. Sie saß an einem Tisch hinter einer hohen Trennwand. Ich sagte ihr, daß ich einen Termin habe, und sie reichte mir einen langen Fragebogen mit der knappen Aufforderung, ihn auszufüllen.
    Ich trug eine Reihe von Kinderkrankheiten ein, die aber unerkannt geblieben waren, weil es die Symptome bei Golden Retrievern nicht gibt. Alle Kinder hatten Windpocken, also mußte ich sie auch gehabt haben. Falls es so war, haben meine Eltern beim Anblick der Flecken wahrscheinlich geglaubt, sie wären ein Zeichen dafür, daß mir demnächst endlich ein veritables Fell wachsen würde.
    Auf die Frage, ob ich jemals in psychotherapeutischer Behandlung gewesen sei, und, falls ja, bei wem, antwortete ich mit Ja und gab Ritas Namen an. Die letzte Frage lautete, wer mir Dr. Arsenault empfohlen habe, und ich war erleichtert, endlich die Wahrheit sagen zu können - jedenfalls beinahe - und schrieb: Dr. Joel Baker.
    Ich hatte wohl erwartet, daß Dr. Arsenault wie ein Junkie aussehen und sich wie ein Verrückter aufführen würde. Oder wie einer dieser gefährlichen Männer, die Kinder mit Süßigkeiten locken, und vor denen uns unsere Mütter immer gewarnt haben. Wobei mich meine Mutter allerdings immer nur ermahnt hat, keine Hunde von fremden Männern anzunehmen. Jedenfalls hatte ich in Dr. Arsenault nicht diesen völlig normal aussehenden Mann mittleren Alters erwartet, dem kleine, weiße Haarbüschel aus den Ohren und Nasenlöchern wuchsen, und dessen Bauch fast die Knöpfe seines weißen Arztkittels sprengte. Er gab auch kein wahnsinniges Kichern von sich und bot mir weder Süßigkeiten noch einen Hund an, statt dessen bat er mich, meine Kleider abzulegen. Es dauerte ein paar Sekunden, bis mir wieder einfiel, daß er ja schließlich Arzt war, und es sich bei dieser Aufforderung deshalb nicht unbedingt um einen unsittlichen Antrag handeln mußte. Er reichte mir ein blaues Wegwerfhemd aus Papier, sagte, ich solle das überziehen und verließ das Behandlungszimmer.
    Als er wieder zurückkam, hielt er das von mir ausgefüllte Formular in der Hand. Er hatte sicher Joel Bakers Namen gelesen, aber

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