Dem Leben entrissen: Aktuelle authentische Kriminalfälle (German Edition)
begangene Tat dem äußeren Ablauf nach in groben Zügen ein. Der 18 Jahre alte mutmaßliche Mittäter macht keine weiteren Angaben.
Die Ermittlungen zum konkreten Tatablauf und insbesondere zum Tatmotiv, welches noch nicht bekannt ist, dauern an. Ebenso müssen die Ergebnisse der kriminaltechnischen Untersuchungen der gewonnenen Spuren und der sichergestellten Schusswaffen und Patronenhülsen abgewartet werden.
»Wir waren das zusammen «
Nach und nach kommen weitere schreckliche Details ans Licht. Die Einwohner Eislingens, Verwandte, Bekannte von Opfern und Tätern sind entsetzt.
Frederik B. wird mehrere Tage lang vernommen. Am Mittwoch, dem 15. April, gesteht er zuerst das Versteck der Waffen auf dem Dachboden. Am Donnerstag räumt er dann die Morde ein.
»Wir waren das zusammen«, erklärt Frederik. Er gesteht nicht nur die Taten, sondern auch den Einbruch ins Vereinsheim der Schützengilde und den Diebstahl der Waffen. Der Leiter der SoKo »Familie« sagt der Presse, der 19-Jährige habe bei der Vernehmung einen »betroffenen Eindruck« gemacht. Und doch sind die Angaben zum Tatablauf widersprüchlich. Bei beiden jungen Männern hat die Polizei Schmauchspuren an den Händen entdeckt. Ein Motiv kann oder will Frederik nicht nennen.
Andreas H. schweigt.
Was sind das für junge Männer, die zuerst die Schwestern des einen mit insgesamt 19 Schüssen erschießen, um dann vergnügt in eine Gaststätte zu gehen, wo sie die Eltern des Mörders treffen? Eltern, die nichts davon ahnen, dass ihre beiden Töchter daheim in ihrem eigenen Blut liegen, längst tot sind, und dass sie die nächsten auf der Liste sein werden?
Sonnabend, 18. April 2009 – »Es wird viel geweint in diesen Tagen un d Fragen werden gestellt… «
In der schlichten Lutherkirche stehen vier hellbraune Särge nebeneinander. Sie sind auf der Oberseite mit langstieligen weißen Calla geschmückt, die auch an den beiden Säulen links und rechts befestigt sind. Am hinteren Ende ist je eine rote Rose mit rotem Band befestigt. Es ist jene Kirche, in der Hansjürgen H. vier Tage später einen Gesprächsabend für die Gemeindemitglieder durchführen wollte. Das Motto: »Durst nach Leben«.
Hinter den Särgen leuchtet die Sonne durch die gelben und blauen Scheiben und scheint auf den Altar mit seinen vier Vasen, in denen ebenfalls Calla-Sträuße stehen, dazwischen brennen vier Kerzen. Auf der Vorderseite der Särge sind großformatige Fotos angebracht – links sieht man Else H., rechts Hansjürgen H., in der Mitte die beiden Töchter Ann-Christin und Annemarie. Der Sohn und Bruder der vier ist nicht dabei, obwohl er sich dies gewünscht hat. Was mag Andreas bewogen haben, an der Beisetzung der Menschen teilzunehmen, die er ermordet hat? Noch hat er sich nicht zu der Tat geäußert, aber es ist sicher, dass er etwas damit zu tun hatte. Was glaubt er, den Trauernden in der Kirche vormachen zu können?
Etwa 500 Menschen haben sich in der Kirche zusammengefunden, um den toten Familienmitgliedern das letzte Geleit zu geben, darunter auch die ältere Schwester von Hansjürgen H., die beiden Schwestern der Mutter und die Freunde Annemaries und Ann-Christins.
Die Pfarrerin Kathinka K. tröstet die Gemeinde. Bei Gott seien die vier »nicht vergessen«. Die Familie sei durch einen »gespenstischen Ausbruch blindwütiger Gewalt« aus dem Leben gerissen worden. Es werde »viel geweint in diesen Tagen«. Und sie fügt hinzu: »Fragen werden gestellt, bedrängen uns alle, werden laut und überlaut, auch die, die keiner ausspricht, entsetzte, fassungslose Fragen.«
Die einstündige Trauermesse wird zeitgleich nach draußen übertragen, weil die Plätze in dem Gotteshaus für die vielen Trauergäste nicht ausreichen. Für die Presse sind Kirche und Friedhof bis 14:00 Uhr gesperrt.
Noch ist unklar, welche Rolle Andreas H. bei der Tat gespielt hat, und es wird auch noch eine ganze Weile dauern, bis er seine Beteiligung an den Morden zugibt.
Die meisten Anwesenden können und wollen an diesem Tag nicht glauben, dass der »Andi« an dem Blutbad beteiligt war. Vor dem Wohnhaus in der Friedhofstraße steht eine schlichte weiße Holzbank. Am Fenstersims darüber hat jemand ein Blatt in einer Klarsichthülle befestigt: »Wenn tief in Deiner Seele ein kleines Lichtlein brennt – sei dankbar für den hellen Schein, weil man ihn Hoffnung nennt. Er soll für Dich scheinen, wann immer Du ihn brauchst und soll Dir immer sagen: Pass bitte auf Dich auf!« Ganz am Schluss
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