Dem Leben entrissen: Aktuelle authentische Kriminalfälle (German Edition)
psychologischer Behandlung.
Die Anwälte der beiden Angeklagten kündigen an, dass ihre Mandanten die Tat einräumen werden. »Frederik bleibt bei seinen Angaben und wird ein Geständnis machen«, so dessen Verteidiger Klaus S. Auch der Anwalt von Andreas H. verkündet, sein Mandant sei an der Tat beteiligt gewesen. Als Motiv nennt er Entfremdung von der Familie, das Fehlen von Zuneigung und Respekt.
Die Verteidiger beantragen, dass die beiden jungen Männer nach Jugendstrafrecht verurteilt werden. Die Höchststrafe für Mord liegt hier bei maximal zehn Jahren.
Kurz vor Prozessbeginn tut Andreas H. über die Medien kund, er bereue das Geschehene. Sein Anwalt hat der Bild am Sonntag eine Erklärung übermittelt. »Das Schlimmste ist, dass ich meinen Vater so vermisse«, zitiert die Zeitung den Angeklagten.
Der Prozess
1. Prozesstag: Montag, 12. Oktober 2009
Ab dem 18. Lebensjahr ist man in Deutschland volljährig. Volljährige haben das aktive und das passive Wahlrecht, sie können also wählen und gewählt werden. Volljährige Personen sind in allen Belangen »voll geschäftsfähig«. Das heißt, dass sie Miet-, Kauf- oder Kreditverträge abschließen dürfen, ihre Geldgeschäfte selbst regeln und ein eigenes Konto eröffnen können. Alle männlichen deutschen Staatsangehörigen unterliegen mit der Volljährigkeit der Wehrpflicht. Volljährige können über Ausbildung und Beruf selbst bestimmen, den Führerschein machen, heiraten und auch ihren Wohnort frei wählen.
Andreas H. und Frederik B. sind zum Zeitpunkt der Morde beide volljährig. Vor Gericht gelten sie jedoch als Heranwachsende. »Heranwachsender« ist in Deutschland nach § 1 des Jugendgerichtsgesetzes jede Person, die das 18. Lebensjahr, aber noch nicht das 21. Lebensjahr vollendet hat. Deshalb wird bei ihnen nach Jugendstrafrecht verhandelt.
Jugendstrafrecht ist Sonderstrafrecht. Es wird bei Tätern angewendet, die sich zur Zeit der Tat in dem Übergangsstadium zwischen Kindheit und Erwachsenenalter befunden haben. Der Hintergrund für solch eine besondere Rechtsform ist die Meinung, dass es sich bei Jugendkriminalität oft um harmlose, vorübergehende Entgleisungen handelt. Diese »Episodenhaftigkeit der Jugendkriminalität« könne bei fast jedem jungen Menschen auftreten. Zudem fehle es diesen oft an Unrechtsbewusstsein, sie können noch nicht richtig zwischen Recht und Unrecht unterscheiden. Eine übermäßige Bestrafung könne sich dann entwicklungsschädigend auswirken. Hinzu kommt die »größere Formbarkeit« junger Menschen. Das Jugendstrafrecht ist also ein »Erziehungsstrafrecht«, bei dem nicht Sühne und Abschreckung, sondern Erziehung und Resozialisierung im Mittelpunkt stehen. Nicht die Tat, sondern die »umfassend gewürdigte Persönlichkeit des Täters« sollen hier im Vordergrund stehen.
In Strafverfahren, die sich gegen Jugendliche richten, das sind alle Personen unter 18 Jahren, ist laut § 48 des Jugendgerichtsgesetzes die Öffentlichkeit von der Verhandlung ausgeschlossen.
Bei Verfahren, die sich gegen Heranwachsende richten, ist das nicht zwingend vorgeschrieben, hier heißt es: »Sind in dem Verfahren auch Heranwachsende oder Erwachsene angeklagt, so ist die Verhandlung öffentlich. Die Öffentlichkeit kann ausgeschlossen werden, wenn dies im Interesse der Erziehung jugendlicher Angeklagter geboten ist.«
Der Verteidiger von Andreas hat für das gesamte Strafverfahren den kompletten Ausschluss der Öffentlichkeit beantragt. Nicht einmal Journalisten sollen an den Verhandlungen teilnehmen dürfen – schließlich wird nach Jugendgerichtsgesetz verhandelt und die Interessen der beiden Angeklagten seien schutzwürdig.
Die Kammer entschließt sich jedoch, nicht zuletzt aufgrund des großen öffentlichen Interesses, eine eingeschränkte Berichterstattung zuzulassen. Der Vorsitzende Richter verfügt, dass neun Journalisten per Los ausgewählt werden sollen, die dann an der Verhandlung teilnehmen dürfen. Die Verlosung ist nicht öffentlich. Die neun Berichterstatter müssen sich jedes Mal ausweisen, wenn sie an den Verhandlungen teilnehmen wollen und können jederzeit von bestimmten Teilen des Prozesses ausgeschlossen werden.
Verschiedene Medien, darunter die Süddeutsche Zeitung und die Nachrichtenagenturen AP und ddp legen dagegen beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe Beschwerde ein. Die Beschwerde wird abgewiesen, eine Verletzung der Presse- und Informationsfreiheit können die Karlsruher Richter nicht erkennen.
Und
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