Dem Leben entrissen: Aktuelle authentische Kriminalfälle (German Edition)
stammen könnten: Aus den fehlenden Einbruchsspuren und der Lage der Toten schließt die Polizei, dass die Familie nicht von Unbekannten überrascht wurde. »Wir haben keine Spuren, dass sich jemand gewaltsam Zutritt zu dem Haus verschafft hat«, erklärt ein Polizeisprecher und fügt hinzu: »Die Gesamtumstände der Tat sprechen dafür, dass es jemand aus dem Umfeld oder der Familie selbst war.«
Andreas H. und sein Freund Frederik werden wieder und wieder vernommen. Die beiden jungen Männer sind zunehmend tatverdächtig. Am Abend des Ostersamstags beantragt die Staatsanwaltschaft Haftbefehl gegen den Sohn und seinen Freund und etwas später kommt der Haftrichter am Landgericht Ulm dem Antrag nach. Andreas H. und Frederik B. kommen in Untersuchungshaft und werden in verschiedene Justizvollzugsanstalten gebracht, einer nach Stuttgart-Stammheim und der andere nach Ulm.
In Eislingen macht sich Ratlosigkeit breit. Kann es sein, dass ein 18-Jähriger gemeinsam mit seinem Freund seine ganze Familie ausrottet? Und wo liegt das Motiv für die grausige Tat?
12. April 2009, Ostersonnta g
Die Ermittlungen am Tatort sind abgeschlossen. Die Beamten der 30-köpfigen Sonderkommission »Familie« warten noch auf Details aus dem Obduktionsbericht und auf das Waffengutachten. Das Umfeld der beiden Verdächtigen wird intensiv befragt. Die Nachbarn der Familie H. haben von der Tat nichts bemerkt.
Andreas H. und Frederik B. weisen indessen die Vorwürfe der Ermittler zurück, streiten ab, etwas mit dem Vierfachmord zu tun zu haben. Noch immer behauptet Andreas, dass er seine Eltern und die beiden Schwestern am Karfreitag erschossen in der Wohnung aufgefunden habe. Bis auf die Anmerkungen, sie hätten mit der Tat nichts zu tun, schweigen die beiden mutmaßlichen Täter. Sowohl Andreas H. als auch sein Freund haben inzwischen einen Anwalt. »Sie leugnen die Tat«, kommentiert der Göppinger Polizeisprecher.
Die Polizei stützt sich auf Indizien und sucht nach weiteren Spuren. Der Computer des Sohnes wird ausgewertet, wird auf das Vorhandensein von Gewaltspielen oder –videos überprüft. Andreas war im Schützenverein Eislingen, auch Frederik war eine Zeitlang Mitglied in der Schützengilde. Andreas H. hat im Verein mit Luftgewehren, aber auch mit kleinkalibrigen Waffen – so genannten KK-Gewehren – das Schießen geübt. Waffen sind auf die beiden Verdächtigen nicht eingetragen, aber das muss nichts heißen. Der Waffendiebstahl aus dem Vereinshaus vom letzten Jahr, bei dem klein- und großkalibrige Pistolen und Gewehre gestohlen wurden, ist noch nicht aufgeklärt. Jetzt ermitteln die Beamten, ob dieser Einbruch mit den Morden in Verbindung steht.
»Jetzt sagen wieder alle, es waren die Schusswaffen«, äußert ein Einwohner. Erst im März hat der 17-jährige Tim K. an der Albertville-Realschule im nicht einmal 60 Kilometer entfernten Winnenden einen Amoklauf verübt und dabei 15 Menschen getötet. Die Waffe hatte er seinem Vater, einem Sportschützen, entwendet. Nach diesem Amoklauf beginnt eine Diskussion über das Waffenrecht. Insbesondere wird verlangt, Sportschützen zu untersagen, ihre Waffen zu Hause aufzubewahren. Familie H. hätte dieses Verbot nichts genützt. Am Sonntagvormittag löscht die Schützengilde Eislingen e. V. Bild und Namen von Andreas H. von ihrer Homepage, nimmt ihn aus den Mannschaftsaufstellungen für Luftgewehr und Kleinkaliber. Andreas H. schade dem Ruf des Vereins und dem des Schießsports. Und doch fragt sich so mancher unterdessen, was am Schießen eigentlich »Sport« ist.
Die Polizei versucht inzwischen, den Tatverdacht gegen die beiden jungen Männer zu erhärten. Es ist nicht geklärt, wer geschossen hat, ob es beide waren oder nur einer von ihnen. Noch immer fehlt jede Spur von der Tatwaffe. Auch ein Motiv ist nicht in Sicht. Noch einmal wird das Gebäude des Schützenvereins untersucht.
Die Sonderkommission wertet Computer, Laptop und Terminkalender aus. Von den Rechtsmedizinern wird ein Gutachten über die Verletzungen der Opfer erstellt, in dem es vor allem darum geht, aus welchem Winkel auf die Familienmitglieder geschossen wurde.
In den darauffolgenden Tagen intensivieren die Ermittler die Suche nach der Tatwaffe. Zwei Spürhunde – Anton und Emma – werden eingesetzt. Sie nehmen eine Geruchsprobe von Andreas H.s Bettlaken. Daraufhin führen sie die Polizei zu Frederiks B.s Wohnhaus und von dort aus bis zu einem Industriegebiet in Salach, einer Gemeinde, die direkt an Eislingen
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