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Dem Leben Sinn geben

Dem Leben Sinn geben

Titel: Dem Leben Sinn geben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Schmid
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Antwort auf die Frage nach dem Darüberhinaus nicht gleichgültig für das Leben ist, sind einzelne Menschen, auch ganze Kulturen und spezifische Zeiten in der Geschichte religiös nervös , unruhig über die Beziehung zu diesem Bejahenswerten, das dem Leben Orientierung geben kann, unruhig darüber, ob das Leben mit Blick darauf richtig gelebt wird.
    Die längste Zeit in der Menschheitsgeschichte war die religiöse Beziehung keine Frage der Wahl , sondern eine Vorentscheidung der jeweiligen Kultur. Dass aus ihr in moderner Zeit eine Frage der Wahl wurde, führte zunächst zu einer massenhaften Abwahl , einer Freiheit von aller Religion. Jede negative Freiheit aber verlangt nach einer positiven Freiheit, einer Form, in der Freiheit lebbar wird. Diese Formgebung ist eine Selbstgesetzgebung, ein Akt der Autonomie des Menschen und kann neben der Freiheit zu einem Leben ohne Religion auch als Freiheit zur Religion gelebt werden, die das Charakteristikum einer anderen Moderne sein könnte.
    Mit einer aktiven Wahl entscheidet ein Mensch, ob und welche Beziehung er zu dieser angenommenen anderen Dimension eingeht, ob und wie er sie benennt. Der Einzelne selbst legt fest, ob eine solche Beziehung existenziell für ihn ist oder lediglich ein Surplus , das auch verzichtbar wäre, oder gar eine Zumutung , die vermeidbar ist. Nicht die theoretisch bekundete Beziehung ist dafür entscheidend, sondern die praktisch gelebte, denn nur die Beziehung, die wirklich eingegangen wird, verleiht etwas oder jemandem Bedeutung, das ist nicht anders in der Beziehung zu Gott. Bei aller Vorbereitung durch theoretische Überlegungen kann nur die praktische Einübung in die eine oder andere Variante zeigen, was wirklich lebbar ist.
    Und in jedem Fall ist eine passive Wahl möglich: Passiv zu bleiben, nichts zu unternehmen, keine Beziehung einzugehen – oder sich wählen zu lassen, sich sogar »auserwählt« zu fühlen von einer transzendenten Dimension, unwichtig, ob sich dies tatsächlich oder nur in der Vorstellung so verhält: Auch eine vorgestellte Beziehung kann im Leben wirksam werden.
    Eine Möglichkeit der aktiven oder passiven Wahl ist die Gründung einer Beziehung der Liebe , die die Kunst des Liebensnoch einmal erweitert und auf dreierlei Weise zustande kommt: 1. Auf anfängliche, naive Weise , als kindliche Liebe, die auch über die Kindheit hinaus bewahrt werden kann und in der sich Göttliches und Kosmisches vermengt. Von ihrer großen »Liebe zu den Gestirnen« schreibt etwa Bettine von Arnim: »Was mir Menschen je lehren wollten, das glaubte ich nicht, was mir aber dort oben in nächtlicher Einsamkeit in die Gedanken kommt, das muß ich wohl glauben« ( Die Günderode , 1840, Ausgabe 1983, 422). 2. Auf plötzliche, offenbarte Weise , als Saulus-Paulus-Erfahrung, die danach verlangt, ja geradezu dazu zwingt, den Einfluss einer außermenschlichen Dimension auf das eigene Menschsein anzuerkennen, mit dem überwältigenden Gefühl, dass etwas, das unendlich größer ist als ich, nach mir greift, sodass ich in jedem Sinne »ergriffen« sein kann. 3. Auf allmähliche, reflektierte Weise , aufgrund von Überlegungen und Gründen, die plausibel erscheinen und in einer Art von nüchterner Mystik für die Existenz von Transzendenz sprechen, etwa weil Endlichkeit ohne Unendlichkeit nicht denkbar ist und weil die vorgestellte und gefühlte Beziehung zur Transzendenz ganz andere Räume fürs Leben eröffnet.
    Wie bei anderen Lieben kommt es den meisten Menschen freilich auch bei dieser darauf an, geliebt zu werden . Die Liebe zu Gott kann einseitig sein, aber sie will, wie nahezu jede Liebe, Wechselseitigkeit. Wer Gott liebt, hofft und vertraut darauf, unendliche Liebe zurückzubekommen, um aus diesem Gefühl und Bewusstsein der Liebe heraus leben zu können: Weil da einer ist, der mich großartig findet, sodass ich mich großartig fühlen kann. Da trifft es sich gut, dass die Liebe Gottes ohnehin immer präsent ist, wie dies im Christentum angenommen wird. Wenn ein Mensch das auch so wahrnimmt, wird die Liebe erfahrbar als Aufmerksamkeit, die Gott ihm widmet, sowieals Gefühl und Gedanke, von etwas umfangen zu sein, das unendlich größer ist als das Ich, durch alle Endlichkeit hindurch im Horizont dieser Unendlichkeit zu leben und über alle Begrenztheit des momentanen Lebens hinaus die Fülle eines ewigen Lebens in sich zu spüren. Sich von Gott geliebt zu fühlen, hat zur Folge, von der gedanklichen Vorstellung oder der gefühlten

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