Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dem Leben Sinn geben

Dem Leben Sinn geben

Titel: Dem Leben Sinn geben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Schmid
Vom Netzwerk:
Karriere unverzichtbar sind, aber zu den schlimmsten Feinden werden, wenn sie ihr im Weg stehen: »Freund – Feind – Parteifreund«.
    Nützlich ist überdies nicht nur der materielle Nutzen, sondern seit jeher auch die soziale Geltung , die aus dem Befreundetsein mit angesehenen Anderen bezogen werden kann, ohne dass dies mit wirklicher Zuneigung verbunden sein müsste (NE 1159 a 13). Nutzenfreunde versuchen in der Regel ein weitergehendes, echtes Interesse aneinander zu bekunden, schon aus Gründen des größtmöglichen Nutzens, denn wenn der jeweils Andere sich einfach nur benutzt fühlen würde, könnte es zu keiner nützlichen Beziehung kommen. Die Fixierung auf den Nutzen ist nicht immer sonderlich lustvoll, sondern bereitet im Gegenteil oft erhebliche »Bauchschmerzen«. Wünschenswert wäre, wenigstens für sich selbst zu wissen, um welche Art von Freundschaft es sich im Einzelfall handelt und was von ihr erwartet wird. Ansonsten hält die Nutzenfreundschaft reichen Nährboden für Missverständnisse bereit, denn Leistung und Gegenleistung werden als solche meist gar nicht ausgewiesen und stehen allzu häufig im Missverhältnis zueinander. Mit einer gewissen Zwangsläufigkeit fühlt jeder sichfrüher oder später vom Anderen übervorteilt, falsch behandelt und ausgenutzt . Ähnlich wie die Lustfreundschaft ist daher auch die des Nutzens von vorzeitiger Auflösung bedroht, sobald die Beziehung den insgeheim erhofften Nutzen nicht mehr erbringt: Typischerweise ist dann auch die Rede davon, dass es »nichts mehr bringt«.
    Die dritte Art der Freundschaft erst, die Aristoteles schon im Blick hat und die wohl alle Menschen zu allen Zeiten für besonders erstrebenswert halten, ist die wahre Freundschaft . In ihr allein wird der Freund, die Freundin nicht nur als Mittel zu egoistischen Zwecken der Lust und des Nutzens, sondern zumindest auch als Selbstzweck angesehen. Lust und Nutzen sind keineswegs ausgeschlossen, aber wahre Freundschaft ist keine bloße Zweckbeziehung, sie trägt ihren Zweck vielmehr in sich selbst: Den Anderen einfach nur zu mögen und gerne mit ihm zusammen zu sein. Das engstirnige Eigeninteresse tritt zugunsten dieser Beziehung zurück, die vom Wunsch getragen wird, mit dem Anderen durchs Leben zu gehen und mit ihm »zusammenzuleben«, selten im räumlich-körperlichen, meist im seelisch-geistigen Sinne.
    Charakteristisch für diese Beziehung ist das vollkommen freie Wohlgefallen aneinander, die dauerhafte, wechselseitige Zuwendung und Zuneigung um des jeweils Anderen willen: Weil er er ist, weil ich ich bin , nach dem berühmten Wort, mit dem Michel de Montaigne ( Essais , I, 28, »Von der Freundschaft«) im 16. Jahrhundert seine eigene Freundschaft mit Etienne de la Boëtie beschrieb, mit dem ihn in den letzten Jahren bis zu dessen frühem Tod eine nie zuvor und danach gekannte innige Vertrautheit verband. Im Unterschied zu anderen Beziehungen kann üble Nachrede einer solchen Freundschaft nichts anhaben, sie ist »unzugänglich für Verleumdung«, wieschon Aristoteles meinte (NE 1157 a 21), denn die Freunde kennen sich so gut und sind in so engem Kontakt zueinander, dass Andere sich nicht zwischen sie stellen können (Martin Hecht, Wahre Freunde. Von der hohen Kunst der Freundschaft , 2006).
    Der wahre Freund, die wahre Freundin hat einen festen Platz im Kern des Selbst , in seinem »Herzen«. Diese Beziehung ist nicht peripher, sondern trägt wesentlich zu seiner Selbstdefinition bei. Der Andere hat eine Stimme in ihm, auch wenn er nicht spricht und nicht da ist. Er ist ein Ruhepol, dann wieder ein Unruheherd, in jedem Fall ein starker Bezugspunkt. Im Unterschied zu guten Freunden wird er oder sie bester Freund, beste Freundin genannt. Beispielhaft dafür sind in frühromantischer Zeit, die auf Freundschaft so großen Wert legte, die Männerfreundschaft zwischen Achim von Arnim und Clemens Brentano, die Frauenfreundschaft zwischen Bettine Brentano und Caroline von Günderrode.
    In der wahren Freundschaft ist jeder bereit, dem jeweils Anderen Privilegien zuzugestehen wie niemandem sonst, den Umgang mit ihm ohne jedes Kalkül zu pflegen, sich gerne in ihn hineinzuversetzen und mit ihm zu fühlen, und dies aus keinem anderen Grund als dem, den die Freundschaft selbst darstellt. Selbst die Wechselseitigkeit wird in der wahren Freundschaft nicht zur Forderung erhoben, eine Aufrechnung von Wohltaten kann lange warten, denn im Laufe der Zeit gleicht sich ohnehin alles von selbst aus

Weitere Kostenlose Bücher