Dem Leben Sinn geben
vorherrschten.
Analog zur Liebe im engeren Sinne kommt die Beziehung zustande, weil die Freunde Ähnlichkeiten aneinander bemerken, gleiche Interessen und Erfahrungen miteinander teilen(»Gleich und gleich gesellt sich gern«) oder aber ganz im Gegenteil ungleiche Interessen und große Unterschiede attraktiv finden (»Gegensätze ziehen sich an«). Anders als die Liebe, die einseitig bleiben kann, ist diese Beziehung jedoch von Grund auf durch Wechselseitigkeit charakterisiert, sonst kann sie keine Freundschaft sein. Grundlegend für die wechselseitige Beziehung ist außerdem ein großes Wohlwollen füreinander, eine »Wohlgesinntheit« ( eunoia , NE 1155 b 33).
Und unabdingbar ist die Offensichtlichkeit dieses Wohlwollens, denn es hat keinen Sinn, dem Anderen nur heimlich wohlzuwollen, ohne dass er etwas davon wüsste. Nur dann, wenn das Wohlwollen deutlich erkennbar wird, kann er seinerseits darauf antworten, sofern er sich davon angesprochen fühlt. Auf dieser Basis kommt Freundschaft zustande, bei der sich, in Anlehnung an Aristoteles, drei Grundarten unterscheiden lassen.
Eine Lustfreundschaft wird um des wechselseitigen Lustgewinns willen geschlossen. Überhaupt ist dies ein wesentlicher Grund dafür, Freunde zu suchen und zu finden: Freuden mit ihnen zu teilen, angenehme Erfahrungen zu machen, entspannte Gespräche zu führen, Nettigkeiten auszutauschen, für Abwechslung im Alltag zu sorgen, gemeinsam das Leben zu genießen und Spaß zu haben, ein Ausdruck ausgeprägter Lebenslust. Nichts daran ist verwerflich, schon gar nicht in jungen Jahren; bereits zur Zeit des Aristoteles strebte die Jugend »nach dem für sie Lustvollen und dem, was sie unmittelbar reizt« (NE 1156 a 33). Alle nennen es Freundschaft, auch dann, wenn es sich eigentlich um eine Liebesbeziehung handelt, bei der die Beteiligten sich »Freund« und »Freundin« nennen. In der Lustfreundschaft ist der Umgang miteinander unkompliziert, erfrischend, unterhaltsam, und zu diesem Zweckbleibt die Beziehung besser an der Oberfläche, wie dies in den meisten Fällen ja auch ganz von selbst geschieht. Nichts wird vertieft, was das Wohlgefühl trüben könnte, daher der Verzicht darauf, das eigene Innere nach außen zu kehren: We don’t go there , wie dies im Amerikanischen heißt.
Diese Orientierung am Wohlgefühl hat nicht unbedingt einen Nutzen für Menschen. Um der guten Gefühle willen gehen sie sogar Beziehungen ein, die ihnen nicht wirklich guttun. Für Situationen des Wohlgefühls mit Anderen und unterstützende Stoffe geben sie womöglich viel Geld aus, das sie nicht wirklich haben. Zielt die Beziehung jedoch ausschließlich auf Lustgewinn, kann sie gerade aus diesem Grund zum Problem werden, denn die Lust ist ein launisches Gut, das heute da ist und morgen verschwindet. Das Zusammensein fühlt sich gut an, unvorstellbar, dass es jemals anders sein könnte, aber eine Lust währt nie ewig, immer wieder braucht sie Erholung, das liegt in ihrer Natur. Überschwänglichen Gebrauch von ihr zu machen, läuft zwangsläufig darauf hinaus, ausufernde Auszeiten in Kauf nehmen zu müssen. Diese Phasen der Unlust und Lustlosigkeit werden zur Belastung, wenn sie in der Idee von Freundschaft nicht vorgesehen sind. Auf das Lustprinzip allein zu setzen, macht die Beziehung anfällig für Enttäuschungen, und so ist dies die flüchtigste Art von Freundschaft: Sie ist am Ende, wenn die Lust sich auflöst, »und dann Tschüss«. Im günstigsten Fall bleibt eine angenehme Erinnerung zurück: »Wir hatten eine schöne Zeit miteinander!«
Eine zweite Art der Freundschaft beruht auf dem Nutzen, den Menschen sich voneinander versprechen. Sollte für diese Nutzenfreundschaft gar nicht erst von Freundschaft die Rede sein? Aber in vielen Sprachen nennen Menschen sich Freunde, wenn sie im Auge behalten und manchmal recht genau daraufbedacht sind, was ihnen diese Beziehung bringt. Hier und im Bereich der Lust ist die große Zahl der guten Freunde angesiedelt, die nicht nur gleich-, sondern auch andersgeschlechtlich miteinander befreundet sein können. In so genannten Helferfreundschaften besteht der Nutzen füreinander darin, sich praktische Lebenshilfe zu leisten. Unverstellt kommt der Nutzen bei Geschäftsfreunden zum Ausdruck, die sich auch abseits der Geschäfte gut verstehen, unkompliziert miteinander kommunizieren und gerade aus diesem Grund gute Geschäfte miteinander machen können. In moderner Zeit sind Parteifreunde von Nutzen, die für eine politische
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