Dem Pharao versprochen
habe Duamutef nicht wiedergesehen. Unser Treffen am Nil kommt mir inzwischen vor wie ein Traum.
Heute kommt der Pharao zurück. Gegen Mittag wird er in die Stadt einziehen. Ich stehe völlig neben mir. Ich müsste allmählich anfangen, mich für ihn vorzubereiten. Ich besitze ein neues Kleid, das für diesen Tag bestimmt ist. Dreimal hatte ich es schon in der Hand – und dennoch kann ich mich nicht überwinden, es anzuziehen. Selket kommt dauernd herein und fragt, was mit mir los ist. Sie will mir helfen und mein Haar richten. Aber ich fühle mich so schwach, so lustlos. In mir macht sich eine dumpfe Mattigkeit breit. Am liebsten würde ich mich hinlegen und schlafen. Doch ich muss zu diesem Festzug gehen, ob ich nun will oder nicht …
Ach! Wäre nur eine andere an meiner Stelle!
3. Kapitel Die Rückkehr des Pharaos
Die weite Reise hatte Tutanchamun angestrengt, doch er ließ sich nichts anmerken.
Sein Lächeln war wie eingemeißelt, als er im goldenen Streitwagen durch Wasets Straßen rollte. Die Menschenmenge links und rechts am Straßenrand jubelte ihm zu und winkte. Tutanchamun hob den Arm und grüßte huldvoll zurück, während er die teuflischen Schmerzen in seinem rechten Knie zu ignorieren versuchte. So sehr er auch seine Muskeln trainierte, Laufen und langes Stehen fielen ihm immer schwerer. Die Götter mussten einen Fluch über ihn geworfen haben.
Er war mit einer Fehlstellung seines rechten Fußes zur Welt gekommen. An diesem Fuß fehlte ihm sogar an einer Zehe ein Glied, was zum Glück kaum jemand bemerkte. Ein sehr guter Arzt hatte den Fuß gleich von Anfang an behandelt, ihn mit Leinenbinden bandagiert und eine Beinschiene anfertigen lassen. Der Fuß hatte sich gut entwickelt, und Tutanchamun hatte normal laufen gelernt wie andere Kinder auch. Seine leichte Behinderung war kaum aufgefallen. Vielleicht konnte er nicht ganz so weit laufen und ausdauernd Sport treiben wie andere trainierte Gleichaltrige. Doch in der letzten Zeit machte ihm sein Bein zunehmend Probleme. Vielleicht hatte er sich im Heereslager überanstrengt. Nichts half gegen die dumpfen Schmerzen – weder Einreibungen noch Bandagen oder die Gebete seiner Priester. Das machte ihn zornig. Er hatte fremde Völker bezwungen, er würde auch seinen eigenen Körper bezwingen! Dazu war er fest entschlossen.
Steif stand er im Wagen auf dem Geflecht aus Lederriemen, das die Stöße abfederte. Er hielt sich mit einer Hand am Gestänge fest, während er mit der anderen winkte. Die Menschenmenge verschwamm vor seinen Augen, er konnte kein einziges Gesicht erkennen. Der Schweiß lief ihm von der Stirn. Es war ein ungewöhnlich heißer Tag. Die Sonne brannte auf seine Arme, die mit schweren Goldreifen geschmückt waren.
Rufe drangen an sein Ohr.
»Lang lebe der Pharao!«
»Der Pharao, er soll leben!«
»Willkommen in Waset!«
Tutanchamun freute sich auf die Kühle, die im Palast herrschen würde. Aber bevor er sich zurückziehen konnte, würde er noch eine Reihe von Würdenträgern und Ratgebern empfangen müssen, vielleicht auch einige Bittsteller. Er unterdrückte einen Seufzer. Er sehnte sich nach Ruhe, nach einem Becher Wein und nach den Zärtlichkeiten einer Frau.
Anchesenamun. Vor seinem inneren Auge stieg ihr Gesicht auf. Sie würde heute Nacht das Lager mit ihm teilen.
Sicher war sie noch unberührt, und sie würde erst allmählich die Freuden der Liebe erlernen. Tutanchamun dachte an die temperamentvolle Meritmut, die in der letzten Zeit Abwechslung in seine Nächte gebracht hatte. Sie war etwas älter als er und sehr erfahren. Er hatte die Stunden mit ihr sehr genossen. Sie hatte ihn mit ihrer Fröhlichkeit von seinen Sorgen abgelenkt und er hatte entspannt und ruhig schlafen können. In anderen Nächten hingegen konnte er oft kein Auge zutun, lag wach und wälzte sich grübelnd und unzufrieden auf seinem Lager hin und her.
Er freute sich auf Anchesenamun, sie war ein hübsches und kluges Mädchen und würde zweifellos den Aufgaben einer Pharaonin gewachsen sein. Sie hatte etliche Eigenschaften von ihrer Mutter Nofretete geerbt, Schönheit, Selbstbewusstsein und Intelligenz.
Ein kleines Lächeln spielte um Tutanchamuns Mund. Er ließ die Peitsche knallen. Die beiden prächtigen weißen Hengste liefen schneller. Ihre Mähnen flatterten im Wind, Schaum flog ihnen aus den Mäulern. Er liebte es, mit dem Streitwagen zu fahren. Bald würde er wieder zur Nilpferdjagd aufbrechen können, ein gefährlicher Sport, aber der
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