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Dem Pharao versprochen

Dem Pharao versprochen

Titel: Dem Pharao versprochen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marliese Arold
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bekommen. Sie hat sich immer sehr gegrämt, weil sie nur Mädchen zur Welt gebracht hat und keinen Thronfolger.«
    Selket nickte. »Ja, ich weiß, was man sich erzählt. Und dennoch müssen sich die Ärzte in diesem Punkt geirrt haben. Nofretete ist noch einmal schwanger geworden. Meine Mutter kann es bezeugen, sie hat sie gesehen.«
    Anchesenamun sank wieder auf den Hocker nieder und rechnete nach. Im Jahr nach Echnatons Tod war Nofretete bereits zweiundvierzig Jahre alt gewesen, das war sehr alt, um noch einmal ein Kind auszutragen. Außerdem – wenn Echnaton bereits tot war, wer war dann der Vater des Kindes, das Nofretete im Leib trug? Fragen über Fragen …
    »Es kam die Zeit, in der Nofretete gebären sollte«, fuhr Selket fort. »Sie verließ Achetaton, um das Kind heimlich zur Welt zu bringen. Nur eine Hebamme und meine Mutter begleiteten sie. Die beiden waren die Einzigen, die von Nofretetes später Schwangerschaft wussten.«
    »Dann ist … meine Mutter bei der Geburt gestorben?«, fragte Anchesenamun fassungslos.
    Selket sah auf den Boden. »Ja.« Ihre Stimme war ganz leise. »Die Götter … zürnten ihr offenbar noch immer, denn das Kind lag quer, und Nofretete konnte es nicht zur Welt bringen, obwohl sie sich Stunde um Stunde quälte. Meine Mutter und die Hebamme haben alles versucht, um sie zu retten. Sie haben sogar noch einen Arzt geholt.« Weil Selket auf den Boden schaute, hörte Anchesenamun nur noch Gemurmel. Trotzdem verstand sie genug. Der Arzt hatte vorgeschlagen, wenigstens das Kind zu retten, indem er es aus dem Mutterleib herausschnitt. Es sei eine ganz neue Methode, und einige Säuglinge hätten auf diese Weise bereits überlebt.
    »Doch die Hebamme und meine Mutter entschieden sich dagegen«, fuhr Selket fort. »Sie wollten, dass Nofretete gerettet wird, selbst wenn das Kind stirbt. Der Arzt hat das Kind dann geholt. Weil … er es nicht drehen konnte, musste … musste er es … teilen …« Selkets Stimme versagte.
    Anchesenamun schloss vor Entsetzen die Augen. »Und meine Mutter?«, fragte sie dann.
    »Es war zu spät, sie starb trotzdem«, wisperte Selket. »Es … es war ein Junge. Ihr siebtes Kind war männlich. Sie hätte also … die ganze Zeit … einen Thronfolger … zur Welt bringen können, aber die Götter haben es einfach nicht gewollt.«
    Sie hob den Kopf und ergriff Anchesenamuns Hand. »Bist du mir wirklich nicht böse?«
    Anchesenamun schüttelte den Kopf. Sie war wie betäubt von dem, was sie gerade erfahren hatte. In ihrem Innern hatte sich eisige Kälte ausgebreitet. Spielten die Götter wirklich so ein böses Spiel mit den Menschen, dass sie sich an Nofretete auf so eine Weise gerächt hatten? Für etwas, das Echnaton begangen hatte? Wenn ja, würde sich die Rache der Götter noch auf andere Familienmitglieder erstrecken?
    »Deine Hand ist ja ganz kalt«, stellte Selket fest.
    Anchesenamun lächelte schwach. Ihre Lippen zitterten. »Ich habe mir gerade vorgestellt … Was, wenn die Götter uns tatsächlich verflucht haben?«
    »So etwas darfst du nicht denken!« Selket schüttelte heftig den Kopf. »Es kommt immer wieder vor, dass Kinder im Mutterleib nicht richtig liegen, wenn sie zur Welt kommen sollen. Das hat nichts zu bedeuten …« Sie räusperte sich. »Ich meine, das hat nichts mit dir oder deiner Mutter zu tun. So etwas passiert eben manchmal, man hört öfter davon.«
    »Hm«, machte Anchesenamun, die jetzt noch nachdenklicher war als zuvor. Automatisch legte sie die Hand auf ihren flachen Bauch. War es ein Fluch, der auf der königlichen Familie lag? Würde er auch sie treffen? Was gäbe sie jetzt darum, noch einmal mit ihrer Mutter reden und sie um Rat fragen zu können … Nofretete …
    Anchesenamuns Gedanken wanderten zurück. Sie versuchte sich zu erinnern. Nofretete war immer irgendwie unnahbar gewesen. Sie hatte Anchesenamun und ihren anderen Töchtern zwar ab und zu erlaubt, mit ihr zu kuscheln, aber sie war der Sache sehr schnell überdrüssig geworden. Wenn Anchesenamun mit ihr geredet und ihr von ihren kindlichen Sorgen erzählt hatte, dann hatte sie oft den Eindruck gehabt, dass Nofretete ihr gar nicht richtig zugehört hatte. Manchmal war ihr Blick seltsam entrückt gewesen, und sie hatte auf Fragen mit einer ausweichenden Bemerkung geantwortet, die überhaupt nicht passte und die Anchesenamun unzufrieden zurückließ.
    Nein, Nofretete war wahrhaftig nicht der Inbegriff einer sich sorgenden Mutter gewesen, auch wenn sie in

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