Dem Pharao versprochen
Teil des Stalles eine Gestalt entdeckt. War es Duamutef? Ihr Herz klopfte schneller, und sie merkte, wie der Schweiß an ihren Schläfen kleine Perlen bildete. Sie wünschte sich, Duamutef zu begegnen und hatte gleichzeitig Angst davor. Ihre Hände krampften sich unwillkürlich ineinander. Gab es einen Gott, den sie anflehen konnte, die Liebe zu Duamutef erlöschen zu lassen? Warum konnte sie nicht einfach auf harmlose Weise mit ihm befreundet sein, so wie es früher gewesen war? Im Moment zerriss es ihr fast das Herz.
Sie gingen zum nächsten Pferd. Es war ein kleiner feuriger Rappe, der wieherte, als er Tut sah. Der Pharao lachte.
»Der Kleine erkennt mich. Die Runde neulich mit dem Streitwagen hat ihm genauso Spaß gemacht wie mir. Er ist schnell wie der Wind!«
Jetzt trat Duamutef zwischen den Boxen hervor. Er verneigte sich höflich vor Tut.
»Ich grüße Euch, Pharao, möget Ihr ewig leben! Gestattet Ihr mir eine Bemerkung?« Er tat so, als würde er Anchesenamun überhaupt nicht wahrnehmen.
»Sprich!«, sagte der Pharao ohne Umschweife.
»Wenn Ihr das nächste Mal den Rappen anspannen lasst, dann lasst ihn bitte nicht so schnell laufen. Er hat sich neulich überanstrengt, eine Sehne war ganz heiß. Ich habe ihm kühle Umschläge und einen Salbenverband gemacht. Es ist schon besser geworden, aber er muss sich in der nächsten Zeit noch schonen.«
Anchesenamun fand, dass sich das, was er sagte, ganz vernünftig anhörte, aber Tut war offenbar anderer Meinung.
»Du willst mir Vorschriften machen, wie ich die Pferde zu behandeln habe?« Er lachte, es war ein hässliches, verächtliches Lachen. »Ich bin mit Pferden aufgewachsen. Ich konnte kaum laufen, da hat mich mein Vater schon mit in den Pferdestall genommen.«
»Es war nur ein Rat, Herr«, murmelte Duamutef mit gesenktem Kopf, und Anchesenamun sah, wie seine Wangen glühten. »Denn ein lahmes Pferd macht Euch auf Dauer keine Freude.«
»Dann wird es eben ersetzt, na und? Was kümmert dich das?« Tuts Stimme klang herrisch. »Du hast die Ställe auszumisten und dafür zu sorgen, dass die Tiere genug Futter haben. Hast du ihnen heute schon Wasser gebracht? Dieser Trog hier ist leer!«
»Ich habe die Pferde vorhin getränkt«, sagte Duamutef.
»Bei der Hitze brauchen sie mehr Wasser«, sagte Tutanchamun. »Los, spute dich und versorge die Tiere. Oder muss ich dich erst auspeitschen lassen?«
Duamutef zog die Schultern hoch und gehorchte. Ein gequälter Blick traf Anchesenamun, der ihr durch und durch ging. Sie wusste, dass Duamutef alles tat, damit sich die Pferde wohlfühlten, er ließ sie gewiss nicht dürsten. Aber es machte Tut wohl Spaß, seine Macht zu demonstrieren. Anchesenamun schämte sich für sein Verhalten und überlegte, ob sie etwas sagen sollte, aber dann wagte sie es doch nicht. Duamutef verschwand, um Wasser zu holen.
»Hier drin ist es ja nicht zum Aushalten«, meinte Tut. »Komm mit nach draußen. Du hast sicher genug gesehen.«
Mit großen Schritten strebte er dem Ausgang zu. Anchesenamun hatte Mühe, ihm zu folgen.
Papyrus 4
Ich hätte mich am liebsten geohrfeigt, weil ich zu feige war, Duamutef zu verteidigen. Was wird er jetzt von mir denken? Dieser Blick! Sobald ich die Augen schließe, sehe ich seine Augen vor mir. Ich habe so ein schlechtes Gewissen!
Warum kann ich meine Liebe zu ihm nicht aus dem Herzen reißen? Ich sehne mich danach, Duamutef zu treffen und mit ihm zu reden, obwohl ich weiß, dass es nicht sein darf und dass dadurch alles noch schlimmer wird. Ach!
Tut ließ danach den Wagen anspannen und zeigte mir, wie ich einsteigen und wo ich mich festhalten sollte. Es war ein merkwürdiges Gefühl, auf dem federnden Ledergeflecht zu stehen, aber Tut sagte, dass eigentlich nichts passieren kann. Die Streitwagen werden regelmäßig überprüft, ob alle Teile noch fest sind und ob das Holz keine Risse hat. Zwei weiße Pferde, die ich kaum voneinander unterscheiden konnte, zogen den Wagen. Tut erklärte mir alles und zeigte mir, wie ich die Zügel halten sollte. Ich versuchte es nur kurz, es war mir dann doch ein bisschen zu unheimlich. Deswegen war ich froh, als Tut die Zügel wieder übernahm. Wir fuhren ein Stück durch die Stadt, aber Tut wählte den kürzesten Weg in die Wüste. Sobald der Weg frei war, ließ er die Peitsche knallen und die Pferde galoppierten in vollem Tempo. Ich hielt mich krampfhaft fest. Die Fahrt war so rasend, mir wurde fast übel dabei. Aber Tut schien die Schnelligkeit zu
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