Dem Pharao versprochen
das heißt?«
»Dass ich die Pferde töten lassen werde, wenn sie mich enttäuschen.«
Anchesenamun war bei seinen Worten zusammengezuckt. Tutanchamun zeigte manchmal eine erbarmungslose Härte, die ihr nicht gefiel und die ihr sogar unheimlich war. Genauso erbarmungslos war er mit sich selbst.
Sie hatte gemerkt, dass ihn langes Stehen oder Gehen ermüdete und er dann zu hinken anfing. Nur leicht, es fiel kaum auf, wenn man nicht darauf achtete. Aber Anchesenamun hatte scharfe Augen und war eine sensible Beobachterin. Sie sprach ihn darauf an.
»Du hinkst – obwohl du heute nicht lange auf einem Wagen standest!«
Zuerst stritt Tut alles ab. »Du irrst dich. Ich hinke nicht, und ich habe auch keine Schmerzen.«
Sie zog die Augenbrauen hoch. Eine verschwommene Erinnerung kehrte zurück. Sie war ein kleines Mädchen gewesen und hatte noch in Achetaton gelebt, als sie einmal Tut begegnet war, der mit seiner Beinschiene verbissen das Laufen geübt hatte. Es war ihm damals sehr peinlich gewesen, dass sie ihn gesehen hatte; er hatte sich unbeobachtet gefühlt.
»Hängt es … mit deinem Geburtsfehler zusammen?«
Tuts Gesicht färbte sich bei ihrer Frage glühendrot, und sie wusste, dass sie ins Schwarze getroffen hatte.
»Der Fehler ist längst ausgeheilt«, sagte er scharf. »Mein Bein ist völlig normal. Du bildest dir da etwas ein.«
»Dann haben deine Ärzte gute Arbeit geleistet«, meinte sie nur. Ihr Blick fiel auf Tuts Füße, auf das fehlende Zehenglied. Die betroffene Zehe war ein Stück kürzer als die anderen.
»Was starrst du so auf meine Füße?«
»Du hast da was …«
Voller Zorn packte er sie an den Schultern und schüttelte sie. »Sprich mich nie mehr darauf an, hörst du?«
Sie war über seine heftige Reaktion erschrocken. »Verzeih mir! Ich wusste nicht … ich dachte nur …« Sie biss sich auf die Lippe. »Ich hab mich halt nur gefragt, ob du Schmerzen hast. Es war nicht böse gemeint.«
»Selbst wenn ich Schmerzen haben sollte, dann werden sie nicht besser, wenn man darüber spricht«, knurrte er. »Ich habe nicht umsonst jahrelang trainiert. Mein Leibarzt hat mir versichert, dass mir das Bein keine Schwierigkeit machen wird und dass ich es genauso belasten kann wie das andere. Und was das fehlende Zehenglied angeht – es war der Biss einer Kobra. Der Arzt musste einen Teil der Zehe entfernen, damit das Gift nicht in meinen Körper drang.«
Anchesenamun schluckte ihre Erwiderung hinunter und schwieg. Sie wusste, dass er gelogen hatte. Er wollte geheim halten, dass er verkrüppelt zur Welt gekommen war. Man hätte es als Strafe der Götter auffassen können. Dabei behaupteten die Priester, dass Tut ein Günstling der Götter war, denn er hatte die Taten seines Vaters, des Ketzerkönigs Echnaton, öffentlich angeprangert, die alten Götter zurückgeholt und ihnen ihre angestammten Rechte zurückgegeben. Ein Zeichen des Wandels war auch, dass er seinen ursprünglichen Namen Tutanchaton in Tutanchamun geändert hatte. Er hatte ebenfalls die Schäden am Amun-Tempel in Karnak beseitigen lassen. Unter Echnaton war der Tempel zerstört und die Namenskartuschen des großen Gottes unkenntlich gemacht worden. Tut hatte die Tempelanlage erweitert, zwei Kapellen bauen lassen und die Sphinx-Allee fertiggestellt, die zum Mut-Tempel führte.
Nein, es gab keinen Grund, dass die alten Götter Tutanchamun zürnten. Der einzige Gott, der dazu Veranlassung hätte, wäre Aton … Die Stadt Achetaton, die Echnaton zu seinen Ehren hatte erbauen lassen, war verlassen und zerfiel zusehends. Wind und Sand trugen ihren Teil dazu bei.
»Du kommst also nicht mit nach Memphis«, griff Tutanchamun das ursprüngliche Thema wieder auf.
»Nein«, antwortete Anchesenamun und fasste nach seinem Arm. »Du erlaubst mir hoffentlich, dass ich in Waset bleibe.«
Tut verzog leicht wehmütig den Mund. »Ich werde dich vermissen«, murmelte er. »Vor allem nachts, wenn du nicht an meiner Seite liegst.«
»Ins Soldatenlager könnte ich dich sowieso nicht begleiten«, erwiderte Anchesenamun.
Sie sah die Zärtlichkeit in Tuts Augen. Ihr wurde warm im Bauch, und sie fragte sich zum zigsten Mal, warum in ihrem Herzen noch immer Platz für einen anderen Mann war. Konnte sie nicht zufrieden damit sein, dass sie die Frau des Pharaos war, die Große Königliche Gemahlin? Warum spukte in ihren Träumen noch immer Duamutef herum? Sie seufzte leise, ärgerlich über sich selbst. Die Zeit würde helfen, Duamutef zu
Weitere Kostenlose Bücher