Dem Pharao versprochen
vergessen …
Das glaubst du doch wohl selbst nicht
, flüsterte eine Stimme in ihrem Kopf.
Vor allem, wenn Tut erst einmal in Memphis weilt. Dann ist er weit weg, und du kannst dich mit Duamutef treffen, wann immer du willst.
Sie errötete bei diesem Gedanken. Wie gut, dass Tut nicht wusste, was gerade in ihrem Kopf vorging. Sie schlug ihre Augen nieder, damit auch diese nichts verrieten.
Tut zog Anchesenamun an sich. Seine Hände glitten über ihren Bauch, er lächelte.
»Du wirst mir bald einen Thronfolger gebären. Vielleicht ist er schon da, wenn ich zurückkomme.«
Anchesenamun stockte der Atem. »So lange willst du wegbleiben?«, fragte sie entsetzt. »Zehn Monde?«
»Ich weiß es noch nicht«, erwiderte er ernst. »Ich bleibe so lange, wie die Situation es erfordert. Wenn es um Krieg geht, kann man keine genauen Prognosen machen, das verstehst du doch?«
Sie nickte.
»Aber ich werde jeden Tag an dich denken«, versprach Tut. »Und ich werde dir Schmuck und Gold von meinem Feldzug mitbringen. Die schönste Beute wird für dich sein.«
Ihre Augen füllten sich mit Tränen, als ihr bewusst wurde, dass der Abschied bevorstand. Morgen oder übermorgen würde er nach Memphis aufbrechen – und allein die Götter wussten, ob sie ihn je wiedersehen würde. Wenn er nun in der Schlacht getötet würde, was blieb ihr dann?
»Du wirst auch an mich denken«, flüsterte Tut in ihr Ohr. »Ich bin sicher, dass du mich in der Nacht vermissen wirst. Wir werden uns schreiben, versprochen?«
»Ja.« Sie brachte kaum ein Wort heraus und fühlte sich innerlich wie zerrissen. Sie hatte Angst um Tut und befürchtete, dass ihm auf der Reise etwas zustoßen könnte. Gleichzeitig sehnte sie den Moment herbei, in dem sie allein war und ihre Freiheit nutzen konnte.
Drei Monate waren nun vergangen, seit Tut nach Waset zurückgekehrt war und sie mit ihm das Lager teilte. Sie hatte sich an ihn gewöhnt, er war ihr Gemahl. Trotzdem zweifelte sie immer noch daran, ob sie ihn auch liebte. In manchen Momenten bewunderte sie ihn und empfand auch eine gewisse Zärtlichkeit ihm gegenüber. Aber dann wiederum gab es Augenblicke, in denen sie sein Verhalten unmöglich fand. Er war stolz und aufbrausend, bestrafte seine Diener wegen Kleinigkeiten und wenn Anchesenamun mit ihm reden wollte, dann schrie er sie nur an und gebot ihr zu schweigen. Sie zog sich oft tief verletzt in ihr Gemach zurück und ließ ihren Tränen freien Lauf. Wie konnte jemand nur so widersprüchlich sein? Duamutef war ganz anders … Immer öfter träumte sie von ihm, und wenn sie morgens erwachte, war sie traurig, weil die Wirklichkeit anders aussah als ihr schöner Traum. Dabei war ihr bewusst, dass es falsch war, sich noch immer nach Duamutef zu sehnen …
Tutanchamun verschloss ihre Lippen mit einem Kuss. Anchesenamun schob alle störenden Gedanken beiseite. Jetzt zählte nur der Augenblick …
Er war fort. Ein Gefühl der Leere blieb zurück, dabei hatte Anchesenamun so viele Pläne gemacht, wie sie ihren Tag ausfüllen konnte.
Selket merkte ihre Niedergeschlagenheit und versuchte, sie aufzumuntern.
»Jetzt haben wir endlich wieder mehr Zeit für uns. Es ist wie früher! Wollen wir am Nilufer spazieren gehen und nachsehen, ob wir Enteneier finden? Der Gärtner hat übrigens neue Pflanzen gesetzt, die in den letzten Tagen eingetroffen sind. Es sollen wunderschöne Exemplare dabei sein. Wollen wir in den Palastgarten gehen und sie uns ansehen?«
»Ein andermal.« Anchesenamun setzte sich auf die Bettkante und starrte vor sich hin.
Selket seufzte, dann nahm sie neben ihrer Freundin Platz und ergriff ihre Hand.
»Also, sag schon, was bedrückt dich? Ist es, weil der Pharao nach Memphis aufgebrochen ist? Oder gibt es noch einen anderen Grund für deinen Kummer?«
Anchesenamun schüttelte den Kopf. Sie nagte an ihrer Unterlippe. »Kennst du das? Du … du hast Gedanken, die du eigentlich nicht denken willst. Du weißt genau, dass diese Gedanken nicht richtig sind. Aber gleichzeitig ist dir klar, dass du diese Gedanken nicht in die Tat umsetzen wirst. Trotzdem hast du Angst, dass die Götter dich vielleicht bestrafen werden …«
Selket runzelte die Stirn. »Du sprichst in Rätseln, meine geliebte Milchschwester!«
Anchesenamun winkte ab. »Am besten vergisst du, was ich gerade gesagt habe.«
Aber Selkets Neugier war erwacht. So schnell gab sie sich nicht zufrieden. »Welche Gedanken sind so schlimm, dass du dir deswegen Sorgen
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