Dem Pharao versprochen
andere …«
»Wer ist es?«, flüsterte Selket.
»Duamutef«, sagte Anchesenamun. Einen Augenblick, nachdem sie den Namen ausgesprochen hatte, wusste sie, dass sie einen Fehler gemacht hatte.
Selket starrte sie an. »Mein Bruder?«
»Ja.« Anchesenamuns Stimme war tonlos. »Er war doch von klein auf mein bester Freund.«
»Das geht nicht!«, sagte Selket und stand auf. »Ich habe schon mitbekommen, dass Duamutef dir manchmal eigentümliche Blicke zuwirft. Aber du bist die Frau des Pharaos. Und mein Bruder steht auch in seinem Dienst, als Pferdepfleger. Das könnt ihr nicht machen! Weißt du, was ihr damit aufs Spiel setzt?« Sie schüttelte den Kopf. »Nein, ich glaube, das ist dir überhaupt nicht klar. Der Pharao wird niemals zulassen, dass du ihn mit … mit einem Stallburschen betrügst. Ihr stürzt euch ins Unglück. Tut wird Duamutef töten lassen, wenn er davon erfährt.« Sie brach in Tränen aus. »O Anchi, wie konntest du nur!« Selket schluchzte laut.
Anchesenamun war von der Reaktion ihrer besten Freundin schockiert. Hastig suchte sie nach Entschuldigungen. »Aber Selket, was regst du dich so auf? Es ist doch überhaupt nichts zwischen uns passiert. Wir haben uns … nur geküsst, und das war vor der Rückkehr des Pharaos.«
»Wenn das rauskommt, dann wird der Pharao auch meine Mutter und mich verstoßen«, jammerte Selket. »Er wird uns alle bestrafen.« Sie sah Anchesenamun mit verweinten Augen an. »Anchi, versprich mir, dass ihr die Finger voneinander lasst. Ihr dürft es nicht tun, auf gar keinen Fall. Das bringt schreckliches Unglück über euch.«
Anchesenamun bereute bitter, dass sie Selket in ihr Geheimnis eingeweiht hatte. Aber es hatte ihr so auf der Seele gebrannt. Sie sehnte sich danach, mit jemanden darüber reden zu können. Dass Selket so reagieren würde, hatte sie nicht voraussehen können.
»Versprich es!«, wiederholte Selket. Sie ließ nicht locker. »Ihr werdet euch aus dem Weg gehen. Schwöre es.«
»Selket …«
»Schwöre es!«, verlangte Selket. »Er ist mein Bruder. Mein einziger. Ich will nicht, dass er durch dich in Gefahr gerät. Ich könnte es nicht ertragen, ihn zu verlieren. – Und du … du solltest auch vernünftig sein! Es ist zu deinem Besten! Der Palast hat Augen … Du bist nie unbeobachtet … Also überleg dir gut, was du tust.«
Anchesenamun zuckte zusammen. »Wie meinst du das? Wer beobachtet mich? Werde ich ausspioniert? Hat Tut etwa jemanden beauftragt? Rede, wenn du etwas weißt, Selket!«
Selket biss sich auf die Lippe und schüttelte den Kopf. »Das habe ich nur gesagt … Ich weiß nichts Genaues … Ich meine nur … Sei vorsichtig und tu nichts Unüberlegtes. Und fang nichts mit meinem Bruder an, ich flehe dich an!« Sie ließ sich vor Anchesenamun auf die Knie nieder. »Du willst doch, dass alles so bleibt, wie es jetzt ist? Wenn herauskommt, dass ihr euch liebt, gibt es eine Katastrophe! Wir werden alle unglücklich! Bitte schwör mir, dass du nichts unternimmst.«
Anchesenamun hatte gehofft, Selket würde die Sache mit dem Schwur vergessen. Ein Schwur war eine ernste Sache, das tat man nicht leichtfertig. Und man leistete schon erst recht nicht einen Schwur, wenn man nicht wusste, ob man das Gelöbnis wirklich halten konnte.
»Na gut, Selket … Ich … ich schwöre, dass ich nichts unternehmen werde«, murmelte Anchesenamun, aber dachte im gleichen Moment:
Ich unternehme nichts, doch wenn Duamutef auf mich zukommt, werde ich ihn nicht zurückweisen.
Selket stieß einen tiefen Seufzer der Erleichterung aus. »Danke!« Sie küsste ihrer Freundin die Hände, erhob sich wieder und setzte sich neben sie.
»Du hast mir einen solchen Schrecken eingejagt! Mir ist eiskalt geworden! Ich will doch, dass es dir gutgeht!«
»Das weiß ich.« Anchesenamun nickte etwas geistesabwesend.
»Bist du jetzt böse auf mich? Ich weiß, es steht mir nicht zu, dir Vorhaltungen zu machen. Du bist meine Herrin, die Große Königliche Gemahlin. Du kannst tun und lassen, was du willst. Nur – in diesem Fall ist meine Familie betroffen, mein Bruder …«
»Vielleicht können wir jetzt mal über etwas anderes reden«, sagt Anchesenamun ungehalten und stand auf. Sie hatte geschworen, nichts zu unternehmen, das musste jetzt reichen. Sie hatte nicht geschworen, Duamutef aus ihren Träumen zu verbannen.
»Es ist eine weite Reise bis nach Memphis«, sagte Selket. »Aber die Schiffe sind gut, und der Pharao wird wohlbehalten ankommen. Sicher wird er
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