Dem Pharao versprochen
Lager hin und her gewälzt. Schließlich fasste sie einen Entschluss. Sie musste es fertigbringen, dass Duamutef Waset verließ. Das war der einzige Weg, um wirklich sicherzugehen, dass sich aus der gegenseitigen Schwärmerei keine gefährliche Liebschaft entwickelte.
An einem Morgen stand sie sehr früh auf, um ihren Bruder abzupassen. Draußen war es noch finster. Selket wartete in einer Ecke, bis sie hörte, dass Duamutef aufgestanden war und sich leise für die Arbeit fertig machte. Als er sich in der Küche ein Stück Brot nahm, trat sie so plötzlich neben ihn, dass er zusammenzuckte.
»Bei Amun, du schleichst wie eine Katze!«, schnaubte er. »Warum bist du schon auf? Musst du heute früher im Palast sein?«
»Ich muss mit dir reden«, sagte Selket.
Duamutef zog die Augenbrauen hoch. »Was hast du auf dem Herzen, Schwester?« Er tauchte das Stück Brot in einen Krug mit Ziegenmilch und biss genüsslich ab. Der Schein des kleinen Öllichts tanzte in seinem Gesicht. Selket fiel auf, wie gut ihr Bruder aussah. Duamutef hatte schöne, gerade Zähne, eine ebenmäßige Nase und ein ausgeprägtes Kinn. Sein Haar, das jetzt noch feucht war, weil er es mit Wasser gekämmt hatte, glänzte blauschwarz.
»Es geht um Anchesenamun«, sagte Selket.
Duamutef hielt in der Bewegung inne. Es war nur ein kurzes Zögern, aber Selket hatte es gesehen. Sie ließ sich auch nicht von der beiläufigen Stimme ihres Bruders täuschen, als dieser fragte: »Was ist mit ihr?«
»Verstell dich nicht!«, zischte Selket ihn an. »Du weißt genau, was ich meine. Du bringst dich und sie in große Gefahr, wenn ihr dieses Spiel weitertreibt. Anchesenamun gehört dem Pharao, Duamutef! Er ist ein Gott, und sie steht an seiner Seite! Und nicht an deiner! Du musst dich von ihr fernhalten! Sonst geschieht ein Unglück!«
»Zwischen uns ist nichts«, knurrte Duamutef und tauchte das Brotstück erneut ein, ohne Selket anzusehen. »Ich weiß nicht, worüber du sprichst.«
Selket berührte den Oberarm ihres Bruders. »Sei kein Dummkopf, Duamutef!« Sie machte eine kurze Pause und fuhr dann im Flüsterton fort: »Anchi hat sich mir anvertraut. Sie hat mir erzählt, dass zwischen euch … etwas entstehen könnte … und dass ihr euch geküsst habt.«
Selket spürte, wie Duamutef seine Muskeln anspannte. Die Hand mit dem Brotstück zitterte leicht.
»Ich weiß nicht, was sich Anchesenamun da einbildet«, murmelte er. »Ich habe keinerlei Absichten. Ich weiß, dass sie mit Tutanchamun verheiratet ist.« Er schob das Brot in seinen Mund und kaute.
»Lüg mich nicht an, Duamutef«, wisperte Selket. »Ihr seid gute Freunde, du und Anchesenamun. Ich habe gesehen, wie du sie anblickst. Ich habe auch bemerkt, wie deine Augen zu glänzen beginnen, wenn wir von Anchi reden. Du bist mein Bruder. Du brauchst dich nicht vor mir zu verstellen. Ich weiß, dass du sie begehrst.«
Er schlug mit der Faust auf den Tisch. »Und wenn?«, fuhr er Selket an. »Was geht dich das an? Ich bin alt genug, um auf mich selber aufzupassen. Ich muss mir von meiner kleinen Schwester keine Vorhaltungen machen lassen, oder?«
»Ich mache dir keine Vorwürfe, ich will dir nur einen guten Rat geben.« Tränen stiegen in Selkets Augen. Duamutefs Worte hatten sie verletzt. »Ich mache mir Sorgen um dich … und um Anchi. Ihr beide seid die Menschen, die mir am nächsten stehen. Ich liebe euch beide … Ach!« Eine Träne rollte ihr über die Wange, sie wischte sie hastig weg. Sie wollte nicht vor Duamutef weinen.
»Und was stellst du dir vor?«, fragte er und sah sie an. Seine Augen hatten sich verdunkelt. »Erwartest du, dass ich aus Waset weggehe? Das kannst du nicht von mir verlangen. Ich bin königlicher Pferdepfleger und kann meine Arbeit nicht einfach im Stich lassen. Der Pharao würde sich bedanken!«
»Warum bist du nicht mit Tut nach Memphis gegangen?«, fragte Selket. »Er hat Männer benötigt, die sich unterwegs um seine Pferde kümmern. Warum hast du dich nicht gemeldet? So viel ich weiß, hat er seinen Lieblingshengst diesmal mitgenommen.«
»Ich habe mich nicht gemeldet, weil ich bei dir und Mutter bleiben wollte«, antwortete Duamutef mit rauer Stimme. »Imara wird alt, sie hat nicht mehr so viel Kraft wie früher. Ich will da sein, wenn sie mich braucht.« Er tunkte sein Brot wieder ein.
Und du wolltest auch in Anchis Nähe bleiben
, dachte Selket, aber sie sprach es nicht aus. Sie erinnerte sich daran, wie ihr die Liebe kurzfristig den Kopf verdreht hatte
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