Dem Pharao versprochen
weiß es nicht. Ich weiß nicht, ob ich mir ein Kind wünschen soll oder nicht …
Ach, ich bin so durcheinander!
5. Kapitel Angst und Unruhe
Allmählich hatte Anchesenamun Gewissheit, gleich in zweierlei Hinsicht: Sie war tatsächlich schwanger – und Duamutef wich ihr aus und vermied es, ihr zu begegnen.
Ihre Monatsblutung war ausgeblieben. Anfangs redete sie sich noch ein, sie habe sich nur verspätet, aber schließlich konnte sie sich nichts mehr vormachen. Ihre Brüste hatten sich eindeutig vergrößert, ihre Haut wurde weicher und schimmerte, und die lästige Übelkeit ließ allmählich nach. Noch immer war ihr Bauch flach wie ein Brett, und sie konnte sich nicht vorstellen, dass darin ein Kind wachsen sollte.
»Am Anfang ist es ja noch ganz klein«, meinte Selket und zeigte mit Daumen und Zeigefinger eine Spanne an. »Kleiner als ein Vogel. Es kann sich gut in deinem Bauch verstecken. Aber es wächst – und eines Tages wirst du ein Flattern spüren, wenn der Vogel in dir das erste Mal seine Flügel ausbreitet.«
Anchesenamun musste lachen. »Du redest, als hättest du schon selbst ein Kind bekommen.«
»Die Dienerinnen reden oft darüber«, sage Selket. »Es ist für jede Frau ein großes Erlebnis. Wann willst du deine Schwangerschaft verkünden? Das Volk von Waset wird sich freuen und dir zujubeln!«
»Ich … ich will noch ein wenig mit der Bekanntgabe warten«, murmelte Anchesenamun.
»Warte nicht zu lange«, riet ihr Selket. »Sonst munkelt man vielleicht, dass das Kind gar nicht von Tut ist.«
Die junge Pharaonin wurde glutrot. »Du weißt ganz genau, dass ich keinen anderen Mann empfangen habe.«
»Das ist auch gut so«, sagte Selket mit einer solchen Zufriedenheit in ihrer Stimme, dass Anchesenamun hellhörig wurde.
»Weißt du etwas von Duamutef?«, fragte sie, während ihr Herz schneller schlug. »Hat er nach mir gefragt? Oder hast du ihm etwas von meiner Schwangerschaft erzählt? Du siehst deinen Bruder doch jeden Tag!«
Selket wich ihrem Blick aus. »Ich sehe ihn gar nicht täglich, weil er so spät von den Stallungen kommt und ganz früh aufsteht. Manchmal vergeht eine Woche, ohne dass wir ein paar Worte miteinander wechseln.«
»Hat er nach mir gefragt?«, bohrte Anchesenamun nach.
»Nein.« Selket schüttelte den Kopf. Nach einer Pause sagte sie: »Ich glaube …« Sie verstummte.
»Was?«
»Ich glaube, er hat jetzt eine Freundin«, antwortete Selket leise.
Anchesenamun fühlte einen Stich in ihrem Innern. Sie war eine Zeit lang unfähig, etwas zu erwidern. Obwohl es eigentlich naheliegend war, hatte sie nicht mit dieser Möglichkeit gerechnet. Tief in ihrem Herzen war sie überzeugt gewesen, dass sich Duamutef genauso nach ihr verzehrte wie sie nach ihm. Aber das war offenbar ein Irrtum.
»Eine Freundin?«, wiederholte sie, als sie wieder sprechen konnte. Ihre Stimme zitterte. »Wer ist es? Kenne ich sie?«
»Ich glaube nicht«, sagte Selket. »Ich habe sie nur ein- oder zweimal flüchtig gesehen, als sie bei uns daheim auf Duamutef gewartet hat. Sie ist schon sechzehn und eine Bildweberin.«
Anchesenamun sog begierig jedes Wort auf, obwohl alles, was Selket sagte, sie tief verletzte.
»Wie heißt sie?«
»Inet.«
»Und wie sieht sie aus? Ist sie hübsch?« Anchesenamun bohrte ihre Fingernägel so fest in die Handflächen, dass es wehtat.
»Sie hat eine etwas dunklere Haut als wir«, erzählte Selket. »Wahrscheinlich hat sie nubische Vorfahren. Sie hat einen großen Mund und dicke Lippen. Ihre Nase ist auch ziemlich groß. Wirklich hübsch ist sie nicht. Sie ist nicht besonders groß, hat dicke Brüste und einen noch dickeren Hintern. Aber sie ist unheimlich fröhlich und hat ein ansteckendes Lachen.«
»Hm.« Anchesenamun versuchte, sich das Mädchen vorzustellen. Die Eifersucht zerriss sie fast.
»Meine Mutter ist sehr froh, dass Duamutef jetzt eine Freundin hat«, fuhr Selket fort. »Sie hat sich schon Sorgen gemacht, dass er vielleicht ewig bei ihr wohnen bleibt und nie eine eigene Familie gründet.«
»Ist es … denn etwas Ernstes?«, fragte Anchesenamun.
»Ich denke schon«, antwortete Selket ohne zu zögern. »Du kennst doch meinen Bruder. Er ist nicht der Typ, der heute hier nascht und morgen dort. Ich glaube, er ist Mädchen gegenüber sogar ziemlich schüchtern, obwohl er das gar nicht bräuchte, so gut, wie er aussieht.«
Anchesenamun nickte automatisch. Sie hatte Mühe, die Tränen zurückzuhalten, und sehnte den Augenblick herbei, in dem sie
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