Dem Pharao versprochen
Hauptsache, er kam wohlbehalten zu ihr zurück …
Seit Duamutef Waset verlassen hatte, waren Monate vergangen, und Anchesenamun hatte sich mit ihrem Schicksal abgefunden. Selket behauptete, dass sie noch immer keine Nachricht von ihm bekommen hatte, aber Anchesenamun glaubte mittlerweile, dass ihre Milchschwester sie in diesem Punkt belog. Sie bohrte nicht nach, es hätte ohnehin keinen Sinn gehabt. Sie versuchte, Duamutef aus ihrem Gedächtnis zu verbannen und zu vergessen.
Anchesenamuns Blick wanderte durch den Raum und blieb an der hölzernen Wiege hängen, die inzwischen für ihr Kind bereitstand. Sie legte Tuts Brief zur Seite, stand auf und trat auf die Wiege zu, um das kleine Kissen und die bestickte Bettdecke zu betrachten. Bald würde ihr Sohn darin schlummern. Sie hatte inzwischen auch eine Amme ausfindig gemacht, ein junges Mädchen, das in den nächsten Tagen entbinden würde. Es war eine kräftige junge Frau mit fröhlichem Naturell, und Anchsesenamun hatte Vertrauen zu ihr gefasst. Sie hatten sich mehrmals miteinander unterhalten und auch ihre Bäuche miteinander verglichen. Das Mädchen war wesentlich dicker, und bei ihr wölbte sich bereits der Nabel vor wie ein Pilz, der aus der Erde schaute. Obwohl das Mädchen kaum älter war als Anchesenamun, war es bereits ihr zweites Kind. Ihr erster Sohn war zwei Jahre alt und watschelte mit unermüdlichem Eifer hinter seiner Mutter her. Er hatte ein rundes Gesicht, dunkle Augen und schwarzes Haar, und jeder, der ihn sah, schloss ihn sofort ins Herz. Auch Selket war ganz begeistert von ihm und bedauerte es immer wieder, dass sie noch keinen passenden Mann gefunden hatte, um eine Familie zu gründen.
Anchesenamun stand vor der leeren Wiege und stieß sie leicht an, so dass sie ins Schaukeln geriet. Sie stellte sich vor, wie darin ein Kind schlief, den Kopf zur Seite gedreht und den Daumen im Mund.
»Mein kleiner Sohn!«, murmelte sie glücklich.
Plötzlich schoss ein heftiger Schmerz durch ihren Leib. Es war, als würde jemand mit einem Messer in ihren Eingeweiden herumstochern.
Anchesenamun krümmte sich und presste die Hände auf ihren Bauch. Gleichzeitig merkte sie, wie eine klare Flüssigkeit an ihren Beinen herablief und auf dem Boden eine Pfütze bildete.
»Selket, Selket!«
Selket, die sich draußen auf dem Flur aufgehalten hatte, war sofort zur Stelle.
»Anchi, was ist mit dir?«
»Mein Kind, mein Kind … ich glaube, es kommt …« Anchesenamun zitterte vor Angst und Schmerzen. Kalter Schweiß sammelte sich auf ihrer Stirn.
»Oh, das ist zu früh …« Selket wurde ganz aufgeregt. Sie führte Anchesenamun zum Bett zurück und half ihr, sich hinzulegen.
»Bleib ganz ruhig liegen, Anchi. Vielleicht hören die Schmerzen dann wieder auf …«
»Aber das Wasser, das ich verloren habe«, ächzte Anchesenamun, »das ist ein Zeichen, dass die Geburt beginnt …«
»Bleib liegen«, sagte Selket noch einmal. »Ich hole eine Hebamme, und dann rufe ich noch Sinuhe, den Arzt.« Sie eilte zur Tür hinaus.
Anchesenamun lag bewegungslos auf dem Bett, die Hände auf dem Bauch. Sie spürte, wie sich das Kind regte, und entspannte sich etwas. Doch dann kam der Schmerz wieder, ihr Bauch wurde hart und verkrampfte sich. Sie stöhnte und biss in ihr Bettlaken, um nicht laut zu schreien.
Endlich kam Selket mit der Hebamme, eine farbige Frau aus Nubien. Sie befahl, heißes Wasser und saubere Tücher zu bringen. Selket schickte Meritamun los, die neugierig und besorgt ihren Kopf zur Tür hereingesteckt hatte. Meritamun gehorchte.
Die Hebamme wusch sich erst gründlich die Hände, dann untersuchte sie die Königin.
Sie nickte. »Es ist soweit, das Kind will geboren werden. Der Muttermund hat sich schon einen Fingerbreit geöffnet.«
»Aber es ist zu früh«, wandte Selket ein. »Das Kind sollte erst im nächsten Monat zur Welt kommen.«
»Das entscheiden die Götter«, murmelte die Hebamme.
Sinuhe erschien, schickte alle hinaus, um die Königin allein zu untersuchen. Er kam zum gleichen Ergebnis wie die Hebamme.
»Die Geburt ist bereits im Gange. Wenn ich Euch jetzt etwas gebe, um den Vorgang aufzuhalten, dann gefährde ich Euch und das Kind«, sagte er.
»Aber wird mein Sohn leben?«, fragte Anchesenamun angstvoll. »Er ist doch noch zu klein.«
»Ich kenne etliche Kinder, die ein paar Wochen früher zur Welt gekommen sind«, antwortete der Arzt. »Sie waren anfangs ein bisschen kleiner und schwächer, aber der Unterschied wächst sich mit den
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