Dem Pharao versprochen
als Mal eines Dämons. Man kann dieses Gewächs nicht einfach wegschneiden, es ist wie ein nach außen gelagertes Organ. Es gibt keine Heilung für diese Krankheit. Hier stößt die ärztliche Kunst an ihre Grenzen.
Verehrter Pharao, Eure Tochter ist inzwischen gestorben. Sie hat zwei Tage gelebt. Die Trauer in Waset ist groß, das ganze Volk fühlt mit Euch und Eurer Gemahlin.
Eje hat bereits alles in die Wege geleitet, damit Eure verstorbene Tochter ein angemessenes Begräbnis erhält und ihr Leib für die Ewigkeit erhalten wird.
Eure Gemahlin hat die Geburt gut überstanden und ist auf dem Weg der Genesung. Sie freut sich darauf, Euch wiederzusehen.
Auch das Volk von Waset erwartet Euch mit Freude.
Ergebene Grüße
Sinuhe, Arzt
Tuts Hände zitterten, als er den Papyrus zur Seite legte. Er hatte sich so auf seine Rückkehr gefreut und darauf, seinen Sohn in die Arme nehmen zu können. In Gedanken hatte er schon einen Triumphzug durch die Stadt geplant, um dem Volk den Thronfolger zu präsentieren. Jetzt, da Tut Sinuhes Nachricht gelesen hatte, fühlte er sich, als habe er einen Schlag ins Gesicht bekommen.
Er stand auf und begann ruhelos, im Zelt auf und ab zu gehen.
Das Mal eines Dämons.
Er hatte noch nie von dieser Krankheit gehört, aber er war ja auch kein ausgebildeter Arzt. Warum war ausgerechnet sein Kind davon betroffen? Wen wollten die Götter damit strafen – ihn oder Anchesenamun?
Sein Bein schmerzte wieder, er verzog das Gesicht. Auf dem Feldzug war er bis an seine Grenzen gegangen, was ihm sein Fuß verübelt hatte. Jeden Abend war sein Knöchel jetzt dick und geschwollen, und er konnte die Zehen kaum bewegen. Er war wütend über sich selbst, über seine Schwäche. Er wollte stark sein, er war der Pharao! Er hatte verhindert, dass Feinde in sein Land einfielen, aber jetzt kam der Angriff von einer ganz anderen Seite …
Trotzig schob er das Kinn vor. Er würde einen Thronfolger bekommen, und wenn es mit Anchesenamun nicht klappte, dann eben mit einer anderen Frau.
Ein Diener betrat das Zelt des Pharaos und fragte, ob er noch etwas wünsche.
»Ja, du kannst mir einen Gefallen tun«, sagte Tut. »Hol mir doch eine von diesen Tänzerinnen, die uns heute Abend erfreut haben.«
Der Diener zog die Augenbrauen hoch. »Jetzt noch, ehrwürdiger Pharao? Es ist mitten in der Nacht, und die Frauen haben sich längst zur Ruhe gelegt.«
»Tu, was ich dir gesagt habe!«, fuhr Tutanchamun den Diener an.
Dieser verneigte sich. »Ganz wie Ihr wünscht!« Er drehte sich um und verschwand eilig.
Papyrus 8
Ich hoffe, dass nie jemand diese Zeilen liest. Ich bin so verzweifelt, dass ich ununterbrochen weinen möchte … Mein Kind, meine kleine Tochter, ich habe sie verloren! Und das Schlimmste ist, dass ich sie kein einziges Mal sehen durfte!
Ich bin noch erschöpft von der Geburt und liege die meiste Zeit im Bett. Ich grübele Stunde um Stunde. Was habe ich falsch gemacht? Warum war das Kind missgebildet, und wann hat der Dämon es mit einem Mal versehen? Und warum?
Doch ich bekomme keine Antworten auf meine Fragen.
Manchmal denke ich, dass alles nur ein böser Traum war. Dann betaste ich meinen Bauch und stelle fest, dass er leer ist. Nichts regt sich mehr darin.
Ich habe schon überlegt, ob ich vielleicht das Opfer einer Verschwörung bin. Vielleicht habe ich einen Sohn geboren, und Meritamun hat ihn einfach weggetragen, um ihn jemandem zu übergeben. Aber Selket war ja dabei, als ich das Kind geboren habe. Würde sie einen solchen Betrug zulassen? Sie ist schließlich keine Verräterin? Oder doch?
Manchmal halte ich alles für möglich … Ich misstraue jedem, der mein Gemach betritt. Ich esse und trinke nichts, was nicht vorgekostet ist. Und den Mohnsaft, den mir Sinuhe bringen lässt, damit ich nachts schlafen kann, schütte ich heimlich weg …
Meine Brüste spannen und sind gefüllt mit Milch, die niemand trinken wird. Selket wickelt meinen Oberkörper mit Leinenbinden ein, ganz fest. Angeblich soll die Milch dadurch versiegen …
Heute Nacht habe ich geträumt, dass ich gestorben bin und dass man meinen ganzen Körper mit Leinenbinden umwickelt. Ich bin schreiend aufgewacht, und Nefermut hat den Rest der Nacht in meinem Gemach verbringen müssen, weil ich nicht allein sein wollte.
Selket versucht mir Mut zu machen und sagt, dass ich noch viele Kinder bekommen kann. Ich bin ja erst fünfzehn. Und wenn auch mein nächstes Kind stirbt? Wenn es wieder das Mal eines Dämons
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