Dem Pharao versprochen
mit einer Handarbeit ans Bett, wie sie es schon in den vergangenen Tagen getan hatte. Geschickt zog sie Perle um Perle auf einen Faden, um einen schönen Halsschmuck anzufertigen. Aber nur ihre Hände waren beschäftigt, der Kopf war frei, und sie grübelte unablässig darüber nach, wie sie ihrer Milchschwester helfen konnte. Selket war die Einzige, die wusste, welche Ursache Anchesenamuns Krankheit hatte und doch war sie außerstande, ihr zu helfen. Die Königin tat ihr so leid. Jetzt hätte Selket sogar – wider ihrer Überzeugung – eine Nachricht an Duamutef geschickt und ihn gebeten, nach Waset zurückzukommen. Doch sie wusste nicht, wo er war. Seit seiner Abreise hatte weder sie noch Imara etwas von ihm gehört …
»Du musst wieder gesund werden, Anchi, bitte!«, flüsterte sie in flehendem Tonfall. »Dein Kind braucht dich. Hast du dir denn schon einen Namen für deinen Sohn ausgedacht? Oh, ich freue mich schon so darauf, wenn er auf der Welt ist. Stell dir vor, wie schön es sein wird, wenn er erst mit seinen kleinen Beinchen laufen kann und wir ihm den Palastgarten zeigen.«
Sie warf einen Blick auf Anchesenamuns Gesicht. Das zeigte keine Reaktion. Selket verdrehte die Augen, verknotete ihren Faden und begann mit der nächsten Perlenreihe. Sie summte vor sich hin, ein altes Kinderlied, das ihnen Imara immer vorgesungen hatte, als sie klein waren.
»Seid ihr gekommen,
dieses Kind zu entführen?
Nie werde ich zulassen,
dass ihr es entführt.
Seid ihr gekommen,
dieses Kind zu küssen?
Nie werde ich zulassen,
dass ihr es küsst.
Seid ihr gekommen,
dieses Kind zu beruhigen?
Nie werde ich zulassen,
dass ihr es beruhigt.
Hinweg mit euch,
ihr bösen Geister!«
Jetzt huschte ein unmerkliches Lächeln über Anchesenamuns Gesicht. »Ich erinnere mich«, flüsterte sie. »Ich habe dieses Lied schon viele Jahre nicht mehr gehört.«
»Es ist mir gerade wieder eingefallen«, sagte Selket. Sie sang das Lied noch einmal, diesmal lauter und kräftiger. Sie hatte eine schöne, wohltönende Stimme, das sagten alle, die sie einmal singen gehört hatten.
»So«, sagte sie, als sie fertig war. Sie legte ihre Arbeit zur Seite und stand auf. »Jetzt schau ich in der Küche nach, was da ist – und ich bringe dir etwas zu essen. Du musst etwas essen! Wenn du isst, werde ich dir auch weiter vorsingen!«
Es vergingen etliche Wochen, bis sich Anchesenamun etwas erholt hatte und von ihrem Krankenlager aufstand. Sie war anfangs zu schwach zum Laufen, und Selket und Nefermut mussten sie führen. Meritamun wollte auch mithelfen, aber sie war nicht groß genug, und Anchesenamun konnte sich nicht richtig auf sie stützen.
»Ich habe ganz vergessen, wie gut es hier riecht«, sagte Anchesenamun, als sie seit langem den Palastgarten wieder betrat. Sie schloss die Augen und sog den Duft ein.
»Und dabei habe ich dir täglich Blumen in dein Schlafgemach gestellt«, sagte Selket. »Aber du hast sie ja kaum angesehen.«
Die beiden Dienerinnen führten die Königin zu einem Lager, das sie im Garten bereitet hatten, damit sie sich ausruhen konnte. Anchesenamun betrachtete die bunten Schmetterlinge, die in Scharen um einen Strauch flatterten.
»Oh, so schöne Falter! Und wie viele es sind! Warum sie sich ausgerechnet an diesem Strauch versammeln?«
»Es ist der Duft der Blüten, der sie anlockt«, antwortete Selket. »Der Gärtner hat den Strauch erst letzte Woche eingepflanzt. Er hatte Glück, die Pflanze ist gut angewachsen. Sie stammt aus einem fernen Land, und es heißt, dass man dort solche Büsche um die Tempel setzt. Man glaubt, die Schmetterlinge seien die Seelen der Verstorbenen.«
Anchesenamun sah den Faltern eine Weile zu, dann griff sie nach dem Becher, den Meritamun ihr reichte. Noch immer nahm sie zweimal am Tag Sinuhes Trank zu sich. Er machte sie tatsächlich etwas ausgeglichener. Trotzdem war der Schmerz in ihrem Innern noch sehr stark, sobald sie an Duamutef dachte. Wo er wohl inzwischen war? Wovon lebte er? Und hatte er vielleicht schon ein Mädchen gefunden, das ihm gefiel?
Sie konnte sich nicht vorstellen, dass sie Duamutef je vergessen würde.
»Ihr Leibesumfang nimmt kaum zu«, stellte Tij fest, die die Königin genau in Augenschein genommen hatte. »Sie ist von den Göttern verflucht. Sie wird dem Pharao keinen Sohn schenken, und wenn doch, dann wird er nicht lange leben.«
»Hüte deine Zunge, wenn du dich nicht unbeliebt machen willst«, sagte Eje, der neben ihr stand.
Tij wandte
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