Dem Tod auf der Spur
KTU hatte den Innenraum des Wagens untersucht und auf der Mittelkonsole des Autos, zwischen Fahrer- und Beifahrersitz, ein Metallfeuerzeug mit aufgeklapptem Deckel gefunden. Auch hatten sie die Fahrgestellnummer im geschmolzenen Metall herausfinden können.
Fahrgestellnummern werden ebenso wie Seriennummern auf Schusswaffen in das Metall eingeschlagen und sind dadurch nicht nur in die Oberfläche, sondern auch noch in die tieferen Schichten des Materials geprägt. Durch Säure lässt sich die Metalloberfläche abtragen und die Nummer in diesen tieferen Schichten sichtbar machen. Es gibt also Gründe, dass die Nummern eingeschlagen und nicht eingraviert werden. So können die Kriminaltechniker mit dem Säureverfahren selbst eine vom Täter abgeschliffene oder, wie in unserem Fall, eine in stark beschädigtem Metall verborgene Seriennummer identifizieren.
Die Vermutung der Kripo war richtig, der Wagen war tatsächlich ein Audi, fünftürig, Baujahr 2000, zugelassen auf Thomas Klein.
Die Ermittler der KTU hatten den Innenraum des Fahrzeugs außerdem auf Brandbeschleuniger untersucht. In solchen Fällen werden Brandschuttproben in einem Gaschromatographen analysiert. Ein solcher Chromatograph ist etwa so groß wie eine mittlere Kühltruhe und trennt verschiedene Substanzen voneinander, wie z. B. Gase, die sich in der Atemluft finden. Da unterschiedliche Stoffe unterschiedliche Siedepunkte haben, kann man sie auf diese Weise zeitlich versetzt und damit einzeln nachweisen.
Die Untersuchung der Brandschuttproben aus dem Pkw im Gaschromatographen bestätigte uns eine hohe Konzentration von Benzin in der Luft im Inneren des Wagens. Benzinkonzentrationen von 0,6 bis 8 Volumenprozent gelten als explosionsfähig. In unserem Fall lagen die Werte weit darüber. Entzündet man bei einer solchen Benzinkonzentration in der Luft die Flamme eines Feuerzeugs, kommt es zu einer gewaltigen Explosion.
Die hohe Benzinkonzentration im Wagen, das geöffnete Feuerzeug auf der Mittelkonsole, die möglichen Suizidabsichten von Thomas Klein – alles sprach dafür, dass er den Wagen selbst gefahren und unterwegs einexplosives Gemisch entzündet hatte. Also fuhr die Polizei noch einmal zu Familie Klein, um nachzufragen, ob er vielleicht irgendwelche brennbaren Flüssigkeiten in seinem Schuppen gelagert hatte, die nun fehlten. Schnell stellte sich heraus, dass in der Tat zwei Fünf-Liter-Kunststoffkanister nicht mehr an ihrem Platz standen. Beide waren nach Angaben der Ehefrau mit Benzin gefüllt gewesen.
Die Rekonstruktion des Tathergangs ließ nur einen Schluss zu: Thomas Klein hatte die zwei offenen Benzinkanister in den Fußraum des Beifahrersitzes gestellt. Als nach einigen Fahrminuten die Luft im Auto vollkommen von Benzingasen durchsetzt war, hatte er mit der rechten Hand das Feuerzeug entzündet und die Explosion ausgelöst – eine fürchterliche Explosion. Denn im geschlossenen Innenraum eines Autos ist die Explosionswirkung sehr viel stärker als auf einer offenen Fläche. Thomas Klein wurde von der Druckwelle der Explosion, von den heißen Detonationsgasen und den Flammen nicht nur einmal getroffen, wie dies z.B. bei einer Explosion auf freiem Feld der Fall gewesen wäre, sondern mehrfach hintereinander. Aufgrund der geschlossenen Fahrgastzelle wurde die Druckwelle der Explosion, die sogenannte blast wave, immer wieder reflektiert und schlug so mit immer neuer Wucht wie ein brennendes Pendel durch das Wageninnere. Dies erklärte auch die massiven Verletzungen und traumatischen Amputationen der Extremitäten. Durch die verstärkte Wucht der Explosion wurden Thomas Klein der rechte Arm, mit dem er das Feuerzeug gehalten hatte, sowie Teile des rechten Beines abgerissen, während ergleichzeitig von der Druckwelle vom Fahrersitz auf die Rückbank geschleudert wurde. Das Feuer, das die Explosion entfachte und im Inneren des Wagens wütete, ließ von ihm nicht viel mehr übrig als ein verkohltes Skelett.
»Auto mitten auf der Straße explodiert«, lautete am nächsten Tag eine der Schlagzeilen der Lokalpresse. Ich überflog den Text. »Es gab einen gewaltigen Knall. Dann war alles nur noch ein einziger Feuerball …« Eine andere Zeitung brachte ein Foto, auf dem zu sehen war, wie Feuerwehr und Polizei das ausgebrannte Autowrack abtransportierten. Sie mussten das Auto mit Stemmeisen aus der Straße heraushebeln. Auf dem Pressebild war zu sehen, wie sich die Einsatzkräfte sichtlich abmühten, den Wagen vom Teer zu lösen. »Selbst
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