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Dem Tod auf der Spur

Titel: Dem Tod auf der Spur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Tsokos
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Spurensicherung auf der Landstraße in unmittelbarer Nähe des Leichenfundortes Kleidungs- und Gewebereste. Es war ein Glück für die Ermittler, dass es an diesem Tag nicht geregnet hatte, so waren die angetrockneten Blutspuren auf dem Asphalt nicht weggewaschen worden. Die Kriminaltechniker lösten sie mit angefeuchteten Wattetupfern vom Straßenbelag, um sie für die weitere Analyse im Labor zu sichern. Auch befanden sich unter den auf der Landstraße gefundenen Kleidungsresten Teile der Lederjacke, die der Mann getragen hatte. Aus einer noch intakten, mit einem Reißverschluss verschlossenen Innentasche zogen die Beamten ein Portemonnaie, das neben vierzig Euro in Scheinen und Münzen auch einen Personalausweis und mehrere Kreditkarten enthielt – allesamt auf den Namen Bertram Nölle ausgestellt.
    Auch wenn die gefundenen Ausweispapiere die Identität des Toten nicht beweiskräftig belegten – da es kein Gesicht mehr gab, mit dem wir das Foto hätten vergleichen können –, gab es eine erste Spur hinsichtlich der möglichen Identität des Mannes. Und alles sprach dafür, dass der Mann durch einen Verkehrsunfall ums
    Leben gekommen war – sehr wahrscheinlich als Fußgänger, da weit und breit kein Motorrad oder Fahrrad gefunden wurde, das in den Unfall verwickelt gewesen sein könnte.
    Verletzungen, die bei Verkehrsunfällen entstehen, sind mit wenigen Ausnahmen Folge der Einwirkung »stumpfer« oder sogenannter »halbscharfer« Gewalt. Stumpf nennt man Gewaltformen, die flächenhaft auf den Körper einwirken, wie dies z.B. bei einem Sturz aus großer Höhe geschieht oder durch Faustschläge und Fußtritte bei einem Überfall oder einer Schlägerei. Als halbscharf oder seltener auch »halbstumpf« bezeichnet man eine Kombination aus stumpfer und scharfkantiger Gewalt. Verletzungen durch halbscharfe Gewalteinwirkung sind im Gegensatz zu denen durch stumpfe weniger charakteristisch, aber dafür sehr häufig tödlich. Ist bei stumpfer Gewalteinwirkung (z.B. einem Faustschlag oder Fußtritt) die Krafteinwirkung gering, so bleibt nur ein »Hämatom« (Bluterguss) als Verletzung zurück.
    Bei großflächiger, wuchtiger, d.h. sehr starker Einwirkung durch stumpfe Gewalt, zum Beispiel bei der Kollision einer Person mit dem Kühlergrill eines fahrenden Lkw, beim Überrollen einer Person durch ein Fahrzeug oder bei einem Sturz aus zehn oder mehr Metern Höhe, kommt es in der Regel zu einem Polytrauma. So nennt man die Kombination schwerster, gleichzeitig entstandener Verletzungen, meist in verschiedenen Körperregionen und an unterschiedlichen Organsystemen. Wenn lebenswichtige innere Organe wie Herz oder Lunge zerreißen, tritt der Tod in der Regel sofortoder innerhalb weniger Minuten nach dem Polytrauma ein, auch sofortige ärztliche Hilfe kann den Betroffenen meist nicht mehr retten. Häufigste Ursachen eines Polytraumas sind in Deutschland Verkehrsunfälle und Stürze aus großer Höhe.
    Bei der Obduktion stellten wir anhand der Schleifverletzungen an Gesicht, Knien und Füßen fest, dass das Mitschleifen des Opfers vom Kopf zu den Füßen hin erfolgt war. Dies zeigte sich anhand der Richtung der Oberhautabschilferung im Bereich nicht völlig zerstörter Hautpartien: Die oberste Hautschicht hatte sich in Richtung der Füße hin abgeschilfert, was dafür sprach, dass der Mann sich zum Zeitpunkt des Mitschleifens mit Kopf und Oberkörper im Bereich der Frontpartie des Fahrzeugs unter dem Chassis befand. Dass er mit hoher Geschwindigkeit über den Asphalt der Straße geschleift worden sein musste, wurde durch die Zeichen thermischer Einwirkungen belegt: Die Verletzungen ähnelten Verbrennungen dritten Grades – entsprechend der alten Schulweisheit aus dem Physikunterricht »Reibung erzeugt Wärme«.
    Wir richteten nun unser Hauptaugenmerk bei der Sektion auf die Frage, ob der Mann tatsächlich durch einen Verkehrsunfall ums Leben gekommen war. Schließlich war nicht auszuschließen, dass ihn jemand absichtlich überfahren hatte. Um das herauszubekommen, mussten wir uns erst einmal weitere Fragen stellen:
    War der Fußgänger in aufrechter Position von einem Auto erfasst worden, oder lag er bereits auf der Straße, als das Fahrzeug sich näherte und ihn überfuhr oder überrollte? Oder wurde er von einem Wagen angefahren und liegengelassen, so dass ihn dann noch mehrere nachfolgende Fahrzeuge überrollten und mitschleiften?
    Bei tödlichen Fußgänger-Pkw-Kollisionen gibt es drei mögliche Szenarien, die

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