Dem Tod auf der Spur
die Straße brannte«, hieß es dazu.
Zwei Tage später traf endlich auch das neue, vollständige Zahnschema von Thomas Klein per Fax im Institut ein. Wir brauchten keine Viertelstunde, um das Zahnschema mit dem unseres Skeletts von der Rückbank zu vergleichen. Es bestätigte unsere Vermutungen und die Erkenntnisse der Polizei: Der Tote war eindeutig Thomas Klein. Er hatte das Benzin in seinem Auto verschüttet, die offenen Kanister in den Fußraum des Beifahrersitzes gestellt und dann die Explosion ausgelöst.
Ich habe bei meiner Arbeit häufig mit Suiziden zu tun, doch eine derart extreme Form der Selbsttötung war mir noch nicht untergekommen. Thomas Kleins Freitod war kein Hilferuf. Thomas Klein hatte kein anderes Ziel mehr gehabt, als diese Welt zu verlassen, soschnell und so sicher wie möglich. Seine Angst vor dem Leben muss um ein Vielfaches größer gewesen sein als seine Angst vor dem Tod.
Eine Woche nachdem Thomas Klein sich selbst in die Luft gesprengt hatte, bekam ich ein Päckchen von der KTU. Darin lagen ein Zettel und ein kleiner Gegenstand aus Messing, das Metall an einigen Stellen geschmolzen und geschwärzt: ein Zippo-Benzinfeuerzeug. In das Metall war gerade noch lesbar der Name »Thomas« eingraviert. Ich schaute auf den Zettel des KTU-Mannes, mit dem ich bei meiner Arbeit oft zu tun hatte. Unter der Überschrift »Vermerk« stand dort: »Beigefügtes Feuerzeug ist wirklich das Original, mit dem sich die Person entzündet hat. Viele Grüße, Dein Martin.«
Unter die Räder gekommen
Ein Briefträger auf seinem Fahrrad hatte den Toten am Fuße eines kleinen Abhanges entdeckt. Was er sah, nahm ihn so mit, dass er sich in psychologische Behandlung begab und geraume Zeit nicht mehr arbeiten konnte.
Der Verstorbene sah aus, als käme er direkt aus der Hölle: blutüberströmt, die Lederjacke in Fetzen vom Körper hängend, seine Jeans fast völlig zerrissen, Brandspuren an Haut und Kleidung. Und an Gesicht, Körper, Knien und Fußspitzen fehlten ganze Hautfetzen, so dass die blanken Knochen hervortraten. Aufgrund dieser Verletzungen bestand kein Zweifel daran, dass wir es nicht mit einem natürlichen Tod zu tun hatten. Schutzpolizei und Kripo waren sofort am Leichenfundort. Auch wenn sich zunächst keiner eine Vorstellung davon machen konnte, wie dieser Mann zu Tode gekommen war, stand eines außer Zweifel: Dies war ein Fall für die Rechtsmedizin.
Ich habe selten einen Toten mit so vielen, so schweren und so unterschiedlichen Verletzungen gesehen: Auf den ersten Blick konnte man denken, jemand hätte diesen Mann – denn um einen Mann handelte es sich, das war noch zu erkennen – mit einer Trennscheibe, einer Flex, einer Kreissäge oder einem gigantischen Hobel bearbeitet und gleichzeitig in Brand gesetzt.Schuhe und Strümpfe fehlten, und die Füße waren nur noch schmutzbedeckte Klumpen aus blutigem Fleisch, aus denen die schwarzen Knochenfragmente der Zehen ragten. Unter der zerrissenen Lederjacke öffneten sich großflächige klaffende Wunden, die den Blick auf das verschmutze Unterhautfettgewebe freigaben. Wie an den Füßen war auch hier an einigen Stellen die Haut wie verbrannt, zudem hatten sich Kies und Sand wie Schrotmunition in das Gewebe eingegraben.
»Tiefe, mit Straßenschmutz inkrustierte Schleifverletzungen der vorderen Körperseite«,
diktierte ich für das Sektionsprotokoll. Und:
»Zeichen thermischer Einwirkung, ähnlich Verbrennungen dritten Grades, auf die linksseitige Brustkorbpartie und die Streckseite beider Füße.«
Der größte Schock aber, sowohl für den Briefträger als auch für den Polizeibeamten, war der Anblick von Gesicht und Hals des Mannes: Dort, wo sich vormals Kehlkopf und Gesicht befunden hatten, waren nur noch zwei große schwarze klaffende Löcher. Rachen, Luft- und Speiseröhre lagen offen. Unterhalb des rechten Jochbeins waren Haut und Wangengewebe nicht mehr vorhanden, so dass man Unter- und Oberkiefer sehen konnte.
»Rechtes Jochbein freiliegend, mehrfach frakturiert; teilweise wie abgeschliffen imponierend.«
Auch wenn es für den Briefträger nach einem bestialischen Mord ausgesehen hatte, war uns die Ursache dieses Verletzungsbildes schnell klar. Den massiven Verletzungen nach zu urteilen, war der Mann unter ein Auto oder einen Lkw geraten und dann von dem Fahrzeug, wahrscheinlich in voller Fahrt und längere Zeit, mitgeschleift worden.
Noch während der Tote von uns auf dem Obduktionstisch untersucht wurde, fanden die Beamten der
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