Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dem Vaterland zuliebe

Dem Vaterland zuliebe

Titel: Dem Vaterland zuliebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
Vom Netzwerk:
nichts an die groben Kerle, die Schlachter, wie die Chirurgen genannt wurden. George Minchin von der alten
Hyperion
war so einer. Er hatte an Bord operiert, bis das Schiff unterging. Er sah furchterregend aus, schien grausam, war oft genug voll mit Rum bis oben hin – doch er hatte an jenem Tag manch ein Leben gerettet. Und er hatte das Schiff erst dann verlassen, als der letzte Verwundete, für den noch Hoffnung bestand, von Bord war.
    Bolitho hatte Minchin zum letzten Mal auf der
Valkyrie
getroffen, der großen Fregatte, die jetzt in Halifax lag.
    Bolitho war aufgefallen, daß Beauclerk ihn öfter während des Essens und beim Trinken unzähliger Toasts beobachtet hatte. Es war unmöglich, daß er etwas von dem verletzten Auge ahnte. Oder vielleicht doch? Es gab keine enger verwobene Gemeinschaft als die der Ärzte. Aber Beauclerk hatte mit großem Verständnis und Interesse über die nächsten Wochen und Monate gesprochen und wollte wahrscheinlich nur seine eigene Rolle dabei herausfinden. Man konnte ihn sich allerdings da unten in der blutroten Hölle des Zwischendecks kaum vorstellen. Die Fässer füllten sich dort mit den blutigen Fleischfetzen und Gliedern von Männern, die oben in der Schlacht zusammengeschossen worden waren.
    Auch drei Midshipmen waren eingeladen worden, und einer, Midshipman David Cleugh, wurde aufgefordert, den Toast auf Seine Majestät auszubringen. Er hatte das mit schriller zitternder Stimme getan. Dann war ihm vom Hauptmann der Seesoldaten streng befohlen worden, ein ganzes Glas Brandy zu leeren. Denn, wie es der Zufall wollte, war dies der zwölfte Geburtstag des Midshipman.
    Am stillsten war in der Messe der Zahlmeister gewesen: James Viney. Er konnte den Kapitän, der ihm gegenüber am Tisch saß, kaum aus den Augen lassen. Er blickt wie ein hypnotisiertes Kaninchen, dachte Bolitho. Tyacke war für den letzten Drink nicht nach achtern gekommen und hatte sich entschuldigt. Währenddessen wurde der Tisch abgedeckt, damit man zu Kartenspiel und Würfeln übergehen konnte.
    Tyacke, die vernarbte Gesichtshälfte im Schatten, hatte nur gesagt: »Ich möchte vor dem Schlafen noch ein paar Bücher durchgehen!«
    Bolitho merkte, wie nervös der Zahlmeister daraufhin wurde. Vermutlich lag das an den Büchern, für die sich der Kapitän interessierte.
    Bolitho streckte seine Hand aus. Er sah, wie überrascht ihn Tyacke aus seinen blauen Augen, die ihn so sehr an Thomas Herrick erinnerten, ansah. »Vielen Dank, James!«
    »Wofür, Sir?« Doch sein Händedruck war fest.
    Bolitho antwortete leise: »Sie wissen, wofür. Ich weiß, was Sie dieser Abend gekostet hat. Aber glauben Sie mir, Sie werden ihn nicht bereuen. Und ich auch nicht.«
    Ozzard brachte Bolitho ein zweites Glas Wein und stellte ein Glas Rum etwas außerhalb von Alldays Reichweite hin. So machte er auf seine stille Art deutlich, daß er nicht Alldays Diener war.
    Sie saßen schweigend, hörten nur das Schiff und über ihren Köpfen den langsamen Schritt eines Wachgängers.
    Plötzlich sagte Avery: »Bald werden in England die Blätter fallen.« Dann schüttelte er seinen Kopf und klagte: »Morgen früh werde ich all diesen Wein bereuen!«
    Bolitho berührte das Medaillon und sah, wie Avery hinschaute, als es kurz im Licht der Laterne aufblitzte. Wahrscheinlich sah ihn jeder anders und sicherlich niemand so, wie er wirklich war.
    Scarlett hatte auch Yovell eingeladen, doch der hatte abgelehnt. Er hatte den Abend in der winzigen Kabine verbracht, die gleichzeitig sein Büro und sein Schreibplatz war.
    Allday hatte ihm versichert, daß Yovell sehr zufrieden war, wenn er allein sein konnte. Lächelnd sagte er: »Er liest jeden Abend in der Bibel. Es steht für ihn wohl sehr viel Wichtiges drin.«
    Durch das offene Skylight und die weit offenen Fenster hörten sie das Quietschen von Riemen. Es war so still, daß jeder Laut sehr weit trug.
    Dann ein Anruf: »Boot ahoi!«
    Avery sah überrascht auf. »Wer ist denn so spät noch unterwegs?« Er stand auf. »Ich schau mal nach, Sir!« Er lächelte plötzlich, schien so jung und entspannt, wie er wohl früher einmal gewesen sein mußte. »Wahrscheinlich ist kein Offizier nüchtern genug, sich um das Boot zu kümmern!«
    Die Riemen wurden lauter, das Boot kam näher. Dann folgte die Antwort auf den Anruf: »Offizier der Wache!« Bolitho rieb sein Auge. Er war müde, aber die seltenen Augenblicke wie diese mit Freunden wollte er nicht versäumen.
    Er dachte an Scarlett, der ihm während des

Weitere Kostenlose Bücher