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Dem Vaterland zuliebe

Dem Vaterland zuliebe

Titel: Dem Vaterland zuliebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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Essens ängstlich und unsicher erschienen war. Er war ein guter Offizier. Bolitho mochte gern glauben, daß er sehr in sich ruhte, wenn er seinen Pflichten nachging. Vielleicht galten viele seiner Gedanken der nächsten Beförderung. Doch er hatte bemerkt, daß Avery und er nicht miteinander sprachen.
    Avery kehrte zurück und brachte einen wasserdichten Umschlag mit.
    »Ob Sie's glauben oder nicht, Sir. Der Post-Schoner
Kelpie
lief in stockdunkler Nacht hier ein. Das Wachboot hielt sich nur für alle Fälle bereit.« Er hielt ihm den Umschlag hin.
»Kelpie
traf auf die
Anemone.
Die wartet vor dem Hafen auf Tageslicht.«
    »Sehr klug«, meinte Bolitho. »Der Hafen liegt voller Schiffe, und Adam hat eine noch wenig erfahrene Mannschaft!«
    Er bemerkte, wie Allday ihn ansah.
    »Es ist ein Brief von Lady Catherine!«
    Eine kalte Hand, die er nicht abschütteln konnte, schien ihn zu berühren. Er erkannte ihre Handschrift sofort und sah das Wachssiegel der Admiralität auf dem Umschlag. Der Brief hatte höchste Priorität! Ein privater Brief?
    Avery erhob sich. »Ich werde Sie allein lassen, Sir!«
    »Nein!« Er war von der Schärfe seiner eigenen Stimme überrascht.
Was ist bloß los mit mir?
»Bitte, füll die Gläser noch einmal, Ozzard.« Doch auch der stand bewegungslos da, beobachtete nur, hörte zu.
    »Entschuldigen Sie also bitte!« Bolitho schlitzte den Umschlag auf und entfaltete den Brief.
    Plötzlich war er ganz allein mit dem Brief, und er hörte, wie ihre Worte ihn trafen: Mein liebster Richard, ich würde alles darum geben, diesen Brief nicht schreiben zu müssen. Die Nachricht wird dich so betrüben wie mich.
    Ich muß dir sagen, daß Vals kleiner Sohn gestorben ist. Es war ein Unfall. Er erstickte in seinem Bettchen, ehe ihm jemand helfen konnte.
    Bolitho sah weg, fühlte einen Stich in seinem Auge und konnte den Schmerz nicht verbergen.
    Er hörte Allday mit heiserer Stimme fragen: »Was ist geschehen, Sir?«
    Bolitho schüttelte nur den Kopf und las weiter.
    Die anderen sahen, wie er den Brief schließlich wieder zusammenfaltete und ihn an seine Lippen hob. Dann sah er die Männer in der Kajüte an. Ihm schien, als sei er viele Stunden ganz woanders gewesen.
    Ozzard bot ihm ein Glas Brandy an. »Nur einen winzigen Schluck, Sir!«
    »Danke!« Er schmeckte den Brandy kaum. Als Kind, lange bevor er an die Marine dachte, war er mit seiner Mutter auf jenem Pfad spazierengegangen – zu »Tristans Sprung«. Selbst bei hellstem Tageslicht hatte er hier Furcht gespürt – nach all den abergläubischen Geschichten. Er spürte wieder eine kalte Hand auf seinem Herzen. Im Geist sah er sie ganz langsam fallen. Ihr langes Haar kam wie Seetang an die Oberfläche. Ihr schlanker Körper war von den fürchterlichen Felsen zerschmettert worden.
    Dann fragte er, ohne seine eigene Stimme wiederzuerkennen: »Man hat die
Anemone
gesichtet?«
    Knapp antwortete Avery: »Ja, Sir. Ungefähr fünf Meilen südwestlich von hier!«
    Bolitho stand auf und ging zu den beiden gekreuzten Säbeln hinüber, die in ihrem Stell hingen.
Adam,
dachte er,
Adam, Adam …
Wie sollte er ihm das sagen? Und was über Val, der so stolz auf seinen Erstgeborenen gewesen war – sollte er doch eines Tages den Rock des Königs tragen!
    Er legte seine Hand auf den alten Familiendegen. Was hatte das Schicksal mit ihm vor?
    Er sagte: »Ich möchte nicht, daß hierüber gesprochen wird.« Er drehte sich um und sah einen nach dem anderen an. Die gebeugte schmächtige Figur bei der Durchreiche zur Pantry. Avery, der sich erhoben hatte, unsicher und hilflos um sich blickte. Und schließlich Allday.
    »Ich möchte Ihnen sagen, daß Konteradmiral Keens Sohn tot ist.« Er versuchte, nicht an Catherine zu denken, die unten am Strand das tote Mädchen auf den Armen hielt. »Kurz darauf …« Es hatte wenig Sinn, diesen ehrlichen Männern zu erzählen, daß die Familie nichts getan und nichts gesagt hatte, bis man Keens Vater in London ausfindig gemacht hatte. »Das Mädchen, das wir in Zennor Val heiraten sahen, hat sich selber getötet.« Er sah, wie sich Alldays Fäuste öffneten und schlossen.
    »Sie stürzte sich von ›Tristans Sprung‹.«
    Avery sagte nur: »Konteradmiral Keen wird verzweifelt sein, Sir!«
    Bolitho drehte sich zu ihm um, war jetzt ganz ruhig und wußte genau, was geschehen mußte. »Tun Sie mir einen Gefallen. Sorgen Sie bitte dafür, daß die Morgenwache einen Befehl im Signalbuch vorfindet. Sobald die
Anemone
nahe genug ist, möchte ich

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