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Dem Vaterland zuliebe

Dem Vaterland zuliebe

Titel: Dem Vaterland zuliebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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ließ ihm ganz sicher nicht viel Zeit zum Nachdenken. Er liebte
Anemone
mehr als jedes andere Schiff. Er würde sich nicht eher zufriedengeben, bis er sie voll im Griff hatte.
    Bolitho nahm die Hand vom Auge und war überrascht. Nichts schmerzte oder war undeutlich. Natürlich war auch hier die Luft sauber, und die lange Ruhepause an Land zusammen mit Catherine hatte ihm wohler getan, als er ahnte. Er musterte die Schiffe noch einmal. Jedes war so stark oder schwach wie der Mann, der es kommandierte.
    Wie oft hatte er nicht schon diesen kleinen, aber mächtigen Stützpunkt in der Karibik angelaufen, um von hier aus gegen die amerikanischen Rebellen, die Holländer, die Spanier und den Erzfeind, die Franzosen, zu operieren. Die neue amerikanische Marine bedrohte sie jetzt erneut. Es gab noch keine Kriegserklärung, ja nicht einmal offizielle Hinweise der Regierung, daß Gefahr im Verzuge sei.
    Bolitho sah ein paar Boote zwischen den ankernden Schiffen hin- und herlaufen. Sonst war alles still. In einem Monat, zu Beginn der Hurrikansaison, würde es hier ganz anders aussehen. Zu so einer Zeit war er das letzte Mal hier gewesen und hatte Catherine getroffen.
    Er mußte an ihre Briefe denken, die erst vor zwei Tagen in English Harbour eingetroffen waren – alle in einer einzigen versiegelten Tasche. Aus Versehen hatte man sie zunächst nach Gibraltar geschickt. Er lächelte, hörte in jedem Wort ihre Stimme, genoß sie. Es war schon seltsam, daß Befehle von oben – anders als Briefe – nie Umwege machten, sondern einen ohne größere Umschweife sofort erreichten.
    Er hatte alle Briefe zweimal gelesen und würde sie an Bord, wenn alles ruhig war, noch ein drittes Mal lesen.
    Einmal hatte er im dunklen Schiff an seinem Tisch gesessen. Laternen glitzerten auf dem Wasser wie Glühwürmchen. Da hatte er nebenan das leise Murmeln einer Stimme gehört. Jemand las etwas laut vor. Jetzt war ihm klar: Sein Flaggleutnant Avery las Allday einen Brief von zu Hause vor.
    Diese kleine Szene hatte ihn sehr berührt. Wie Tyacke bekam auch sein Leutnant keine Briefe. Und der, der welche bekam, konnte sie nicht lesen. Wieder war so ein Faden mehr zwischen den Leuten der kleinen Mannschaft gesponnen worden.
    Catherines Briefe waren mit Sorgfalt und Liebe verfaßt. Ihre Verbindung war für ihn so wichtig, so lebensnotwendig. Und sie wußte genau, was er erfahren wollte. Scheinbar unbedeutende Einzelheiten über zu Hause, über das Wetter, über ihre Rosen und über die Menschen, die jenes andere Leben darstellten, das er immer wieder hinter sich lassen mußte wie alle anderen Bolithos vor ihm auch.
    Sie erzählte ihm von Spaziergängen an den Klippen, vom Gerede in der Stadt, von Roxbys sichtbarem Stolz auf seinen neuen Titel, von ihrer Stute Tamara. Doch sie schrieb nie etwas über den Krieg.
    Mit einer Ausnahme. Sie beschrieb, wie die
Indomitable
ausgelaufen war, ein kraftvolles Schiff unter vollen Segeln auf dem Weg in den Kanal. Sie hatte mit Tamara das Auslaufen beobachtet.
    Es war ein so stolzer Anblick, liebster Richard. Ich war so stolz auf Dich. Ich weinte nicht, ich konnte nicht weinen, weil Tränen in diesen schönen Momenten den Blick nicht trüben sollten. Dort segelt mein Mann. Admiral von England, auf den so viele sich schon so lange verlassen können. Nur ein Mann, hast Du mal von Dir gesagt. Typisch für Dich, Liebster, aber natürlich nicht wahr. Du führst, sie folgen – und so wird es in diesem verdammten Krieg immer sein, bis der letzte Schuß gefallen ist. Letzte Nacht bis Du wieder zu mir gekommen und hast mich berührt, ehe Du wieder gingst… In dem Brief stand natürlich noch mehr. Er fühlte sich erhaben und wohl. Alles andere schien dagegen unbedeutend geworden zu sein.
    Hatte er sich darum von diesem Haus so lange ferngehalten, so lange, bis die Briefe kamen, die ihm Stärke gaben?
Habe ich immer noch Zweifel, obwohl unsere Liebe auch den stärksten Angriffen standgehalten hat?
    Er schritt zur nächstgelegenen Tür und blieb stehen.
    In den Sonnenstrahlen tanzte Staub. Schutzbezüge hingen über den Möbeln. Die wertvollen Kerzen und das kostbare Kristall waren entfernt worden. Doch er konnte immer noch erkennen, wo damals alles gestanden hatte. Halb blind von den sich spiegelnden Lichtern war er beim Eintreten beinahe gestolpert. Sie hatte den Arm ausgestreckt und ihn gestützt. Er hatte nicht geahnt, sie hier zu treffen, während sie von seinem Kommen wußte. Mächtige Gefühle und Erinnerungen an ihre

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