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Dem Vaterland zuliebe

Dem Vaterland zuliebe

Titel: Dem Vaterland zuliebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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unter der britischen Flagge in diesem nicht enden wollenden Krieg erdulden mußten.
    Der Erste Offizier hatte jetzt die Wache. Er konnte seine Gegenwart auf der anderen Seite des Achterdecks spüren. Scarlett hatte sich an Tyacke gewöhnt, an sein frühes Erscheinen an Deck, zu Zeiten, da die meisten Kommandanten es vorzogen, die Morgenwache ihren erfahrenen Offizieren zu überlassen.
    Es war noch kalt, Tau lag auf der Reling. In der Dämmerung würde sich das alles ändern. Wie Dampf würde der Tau aus Segeln und Rigg steigen. Der Teer zwischen den Planken würde an Sohlen und nackten Füßen kleben bleiben.
    Tyacke konnte sich vorstellen, wie ihre Schiffe von weit oben aus dem Blickwinkel eines Seeadlers aussahen. Sie schienen wie Spielzeugschiffe, die in einer verwackelten Dwarslinie segelten,
Indomitable
in der Mitte und je eine Fregatte links und rechts. Sobald sie die ersten Signale ausgetauscht hatten, würden sie sich trennen. Die Linie würde sich ausdehnen, jeder würde seine richtige Position einnehmen. Nur noch die Ausguckleute im Mast würden das nächste Schiff erkennen können. Ihr Beobachtungsfeld würde so mehr als sechzig Meilen abdecken.
    Spionen und Handelsschiffen, die ihre Beobachtungen jedem verkauften, würde das Lee-Geschwader, das die See bis Halifax in Kanada kontrollierte, schnell bekannt werden. Schutz oder Bedrohung: Ihr Auftauchen konnte man so oder so interpretieren. Die große
Valkyrie,
eine Fregatte mit zweiundvierzig Kanonen, war in Halifax das wichtigste Schiff. Die anderen Schiffe konnten zwischen den beiden Basen entweder gemeinsam oder unabhängig voneinander operieren.
    Tyacke mußte an die rasenden Stürme denken, die sie in der Karibik überstanden hatten. Vor die Wahl gestellt, würde er jedoch die Karibik den bitterkalten Wintern in Halifax vorziehen. In der schneidenden Kälte konnte das laufende Gut so dick anschwellen oder gar einfrieren, daß ein Schiff weder manövrieren noch reffen konnte.
    Die anderen Kommandanten kannte er jetzt persönlich. Bolitho hatte ihm klar gemacht, wie wichtig solches Wissen war. Wer glaubte, er kenne einen Kapitän schon, bloß weil er dessen Namen auswendig wußte, war für ein Geschwader so gefährlich wie ein Wirbelsturm. Ihr Seegebiet hatten sie meistens allein, selten in Begleitung von anderen abgesegelt.
    Jetzt stellte er sich grüne Felder in England vor. Sie hatten einen Winter durchgestanden, hatten ein neues Jahr begrüßt, und das war nun auch schon wieder zur Hälfte verweht. Juni 1812: Wenn das neue Jahr das gleiche von den Schiffen verlangte wie das alte, mußte man sich auf Werftzeiten vorbereiten.
    English Harbour auf Antigua war gut genug für kleinere Ausbesserungen, doch nicht ausreichend für große Reparaturen. Wenn es gar Gefechte geben würde, die Rigg und Rumpf zerschlugen … Er seufzte. Wann war die Marine auf derlei Ereignisse je richtig vorbereitet?
    Er trat von der Reling zurück und hörte den Ersten Offizier über das feuchte Deck auf sich zukommen.
    »Guten Morgen, Mr. Scarlett. Ist alles in Ordnung?«
    »Ja, Sir. Wind hält sich aus Nordost bei Nord. Unser Kurs ist West bei Nord. Unsere angenommene Position ist etwa 150 Meilen nordöstlich von Kap Haiti.«
    Tyacke lächelte grimmig. »Viel näher möchte ich dem verdammten Land auch nicht kommen.«
    Scarlett fragte: »Haben Sie für den Vormittag besondere Befehle, Sir?« Er stutzte, als Tyacke sich plötzlich zu ihm hindrehte: »Was ist, Sir?«
    Tyacke schüttelte den Kopf. »Nichts!« Aber da war etwas. Er hatte, als er Sklavenschiffe jagte, so etwas wie einen sechsten Sinn entwickelt, den er anfangs nicht annehmen wollte. Er hatte seither oft eine deutliche Ahnung, wo Beute gefunden werden könnte.
    Jetzt fühlte er Ähnliches. Heute würde etwas Wichtiges geschehen. Unruhig schritt er über das Deck, redete sich ein, er sei ein Narr. Es war wie an dem Morgen, als Adam Bolitho in Antigua auf den Befehl »Sofort!« an Bord des Flaggschiffs gekommen war. Als er die
Indomitable
eine Stunde später verließ, wirkte er wie ein Mann, dem das Schicksal gerade einen schrecklichen Schlag versetzt hatte.
    Bolitho hatte ihn zu sich gebeten und ihm berichtet, daß Konteradmiral Keens Frau auf den Klippen von Cornwall den Tod gefunden hatte. Einen kurzen Augenblick lang hatte Tyacke geglaubt, Bolitho habe für das Mädchen zärtliche Gefühle gehegt. Den Gedanken ließ er aber sofort wieder fallen. Lady Catherine Somervell war Bolithos einzige Geliebte. Sie war in

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