Dem Winde versprochen
hartnäckig. Sie hat einen sehr starken Willen, das wirst du noch sehen. Sie gestand mir, dass sie es war, die mir den Schlag versetzt und Miora versteckt hatte. Sie sagte, sie werde es Bernabela und allen im Haus erzählen. Ich machte mich darüber lustig. Da drohte sie mir mit einer Klage, weil ich gegen das ›Recht auf Ehrbarkeit‹ der Sklavin verstoßen hätte, die zum Stadtgespräch in den Salons geworden war. Nun gut, der Sklavenkodex erwähnt ein solches Recht. Aber im Ernst: Hast du schon einmal einen solchen Unsinn gehört? Recht auf Ehrbarkeit!«
Blackraven konnte es nicht fassen. »Willst du mir sagen, du glaubst ernsthaft, ein Mädchen ohne finanzielle Mittel und Verbindungen würde dich anklagen, weil du gegen das ›Recht auf Ehrbarkeit‹ einer Sklavin verstoßen hast?«
»Oh nein«, verteidigte sich Alcides, »nicht ohne Mittel und
Verbindungen. Doktor Covarrubias würde alles tun, was sie von ihm verlangt. Sogar eine Klage gegen mich einreichen. Er hatte sie schon beraten. Mir blieb nichts anderes übrig.«
»Covarrubias«, murmelte Blackraven.
Er ging eigentlich davon aus, dass dieser Winkeladvokat für
ihn
arbeitete. Er hatte ihn aus einem obskuren Amt als Assessor des Bürgermeisters im Rathaus geholt und zum Staatsanwalt des Königlichen Gerichts gemacht, obwohl er in Südamerika geboren, unerfahren und arm war. Solche Wunder vollbrachten sein Geld und sein Einfluss. Der junge Mann hatte sich bis jetzt immer willfährig und zur Zusammenarbeit bereit gezeigt. Allerdings hatte Blackraven bei seinem letzten Besuch an Covarrubias eine kämpferische Ader bemerkt, als dieser hitzig die Ideen aus dem revolutionären Frankreich verteidigte.
»Außerdem«, fuhr Alcides fort, »war es zu dem Zeitpunkt bereits unmöglich, dein Patenkind von seiner Gouvernante zu trennen. Das listige Weibsbild hat es geschickt verstanden, Víctors Zuneigung zu gewinnen, und jetzt gibt es für den Jungen nur noch Miss Melody. Aber man muss sagen, dass es Víctor nach ihrer Anstellung in diesem Haus deutlich besser geht. Er hat keinen dieser Anfälle mehr gehabt, die Bernabela so zuwider sind.«
»Und meine Cousine? Wie versteht sie sich mit der Gouvernante?«
»Sie sind wie Schwestern, Roger!« Alcides war außer sich. »Ich habe dir ja schon die Geschichte mit den Vögeln erzählt. Ich war entschlossen, sie hinauszuwerfen, aber Señorita Béatrice hat sie energisch verteidigt. Sehr demütigend.« Alcides sank tiefer in seinen Stuhl. »Sehr demütigend«, wiederholte er noch einmal leise. »Kurzum«, fuhr er dann mit mehr Schwung fort, »Miss Melody bereitet mir Kopfschmerzen. Sie hält sich für die Anführerin der Sklaven, und diese verehren sie – nicht nur deine, sondern auch die Sklaven der Nachbarn. Sie nennen sie den
Schwarzen Engel. Den Schwarzen Engel! Und sie kommen zu ihr, damit sie ihre Probleme löst. Ich sage die Wahrheit«, betonte er noch einmal, als er Blackravens ungläubigen Gesichtsausdruck sah. »Es ist in aller Munde. Sie hat eine Vormachtstellung erobert, die nicht zu tolerieren ist, sie hat Hofstaat und Gefolge wie eine Königin. Andererseits hat sie sich den Spott der angesehenen Familien zugezogen, weil sie die Neger so in Aufruhr bringt. Sie ist nicht allein mit dem Jungen gegangen. Señorita Béatrice fand die Vorstellung auch sehr angenehm, eine Weile in El Retiro zu verbringen. Sogar meine Schwägerin Leonilda hat sich ihnen angeschlossen. Und sie haben ein paar Sklaven mitgenommen. Diogo fährt häufig hin.«
Blackraven stand auf.
»Ich mache mich auf den Weg«, verkündete er.
»Bleibst du nicht zum Essen?«
»Nein.«
»Wo wirst du nächtigen? In deinem Haus oder im
Tres Reyes
?«
»In meinem Haus.«
»Aber Roger!«, klagte Valdez e Inclán. »Die Zimmer sind noch nicht hergerichtet für dich. Wir haben dich erst in ein paar Wochen erwartet.«
»Das Haus ist in Ordnung so.«
»Was gedenkst du mit Miss Melody zu tun?«, wollte Valdez e Inclán wissen.
Aber Blackraven gab ihm keine Antwort. Er nahm sein Rapier und ging ins Wohnzimmer, wo er sich von den Frauen verabschiedete, während Efrén in der geöffneten Tür seinen Umhang bereithielt. Er war schnell auf der Straße und machte sich auf den Weg Richtung Westen, in das Gebiet von Merced.
Er war noch nicht weit gegangen, da hörte er hinter sich einen Ruf: »Exzellenz! Exzellenz!«
Er drehte sich um. Angelita, Alcides’ Jüngste, kam unter Mühen
auf ihn zugelaufen, denn sie trug Pantoffeln. Die schlecht gepflasterte
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