Dem Winde versprochen
Instinkt sagte ihm, dass sein Partner vergiftet worden war, und es gefiel ihm gar nicht, dass sich ihm bei diesem Gedanken hartnäckig Bernabelas Name aufdrängte.
Isaura, die neben ihm stand, hörte sich abwesend die Predigt an. Wo war sie nur mit ihren Gedanken? Er flüsterte ihr ins Ohr: »An was denkst du?«
»An Elisea. Angelita sagt, sie sei heute mit hohem Fieber aufgewacht.«
Als Blackraven ihn zu den Umständen von Alcides’ Tod befragte, waren die Antworten des Arztes nicht sehr erhellend. Er konnte sich auch nicht erklären, warum Alcides eine so schwere Magenentzündung bekommen konnte, obwohl er stets in Maßen aß und trank. Er hatte das übliche verordnet: Heilsalz, ein stärkendes Tonikum und eine strikte Diät. Zuletzt hatte er dann einen Aderlass angewandt.
»Haben Sie ihm auch Kalomel verordnet?«
»Nein«, wunderte sich O'Gorman. »Hat er das genommen? Das wäre sehr schlecht, denn man gibt es bei Verstopfung.«
»Doktor«, sagte Blackraven, bevor er sich verabschiedete, »wären Sie so freundlich, bei Señorita Valdez e Inclán vorbeizuschauen? Man sagte mir, sie liege mit hohem Fieber im Bett.«
»Ich habe mich schon gewundert, dass sie nicht bei dem Trauergottesdienst war. Natürlich mache ich das, binnen einer Stunde bin ich dort.«
Blackraven ging noch einmal zu Alcides’ Grab, wo ein Sklave der Dominikanermönche Erde in das Grab schaufelte. Als der Junge ihn sah, hielt er inne und schaute schweigend zu Boden, seine Hände fuhren nervös über den Holzstiel der Schaufel.
»Wie heißt du?«
»Siberio, Señor.«
»Da, nimm«, sagte Blackraven und reichte ihm eine Goldmünze,
die der Sklave ungläubig anstarrte. »Nimm schon. Du bekommst heute Abend noch eine, wenn du mir gegen zwölf das Friedhofstor aufschließt.«
Siberio war solche Bitten gewöhnt; er hatte schon öfter mit Leuten zu tun gehabt, die den Toten gegenüber ein seltsames Gebaren an den Tag legten. Aber die Summe war ungewöhnlich hoch, die ihm dieser Mann mit dem seltsamen Akzent gab. Es war das erste Mal, dass er eine Goldmünze in seiner Hand hielt.
»In Ordnung, Señor«, stammelte er. »Heute Abend, gegen zwölf.«
»Du bringst zwei Schaufeln mehr mit und hilfst, den Sarg auszugraben. Verstanden?«
»Ja, Señor.«
Blackraven begab sich zum Haus der Valdez e Inclán in der Calle Santiago. Doch als er in Alcides’ Zimmer ging, musste er feststellen, dass alle Fläschchen von der Kommode entfernt worden waren. Auch das Kalomel war verschwunden. Er rief Bela ins Arbeitszimmer.
»Ich habe angeordnet, dass morgen früh die Testamentseröffnung stattfindet. Wie du weißt, hat er noch kurz vor seinem Tod eine mehr als großzügige Spende an die Dominikaner getätigt – fast alles, was er besaß, sogar das Silber.«
»Als würde er sich damit einen Platz im Paradies kaufen können, dieser Bastard«, entfuhr es Bela.
»Bestimmt hat er mich im Testament zum Vormund seiner Töchter ernannt. Jedenfalls hat er mich kurz vor seinem Tod darum gebeten. Ich werde mich also fortan um sie kümmern. Es wird ihnen an nichts fehlen. Und jede von ihnen wird mit einer Mitgift in die Ehe gehen, die einer Valdez e Inclán würdig ist.«
»Danke, mein Lieber.«
»Was dich und dein Schwester Leonilda angeht, so könnt ihr
beruhigt sein. Ich werde euch protegieren, und ihr werdet dieselben Annehmlichkeiten genießen wie bisher. Das wird sich natürlich ändern, wenn du wieder heiratest.«
»Ich werde nie mehr heiraten! Wenn ich dich nicht haben kann, dann will ich keinen. Welche Ironie des Schicksals! Jetzt, da ich frei bin und wir ein gemeinsames Leben anfangen könnten, bist du gebunden.«
Sichtlich verstimmt fuhr Blackraven fort: »Was deinen Bruder Diogo angeht: Der muss sich künftig seine Unterkunft und das, was er verzehrt, selbst verdienen. Ich warne dich, Bela, ich will da keine Missverständnisse. Diogo hat bewiesen, dass er mit Sklaven umgehen kann, und wird sich in der neuen Gerberei nützlich machen. Er wird von morgens bis abends arbeiten oder dieses Haus verlassen.«
»Wie du befiehlst, Roger.«
Bernabela begleitete ihn in die Eingangshalle.
»Worüber hast du mit O'Gorman nach der Beerdigung gesprochen?«
»Über die merkwürdigen Umstände, unter denen dein Mann gestorben ist.«
»Merkwürdige Umstände?«, sagte sie, sichtlich pikiert. »Sehr merkwürdig, in der Tat! Es wundert mich, dass er nicht schon früher gestorben ist bei all dem Brandy, den er sich jeden Tag hinter die Binde gekippt
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