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Dem Winde versprochen

Dem Winde versprochen

Titel: Dem Winde versprochen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florencia Bonelli
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Arbeitszimmer bedachte Blackraven seine Männern mit einer Schimpftirade.
    »Was ist denn das für eine Wache, dass dieser Kerl bis in mein Schlafzimmer im oberen Stockwerk gelangen konnte? Meine Frau hätte tot sein können.«
    Alle redeten durcheinander. Blackraven hob die Hand und befahl ihnen zu schweigen. »Wir ziehen gleich morgen in die Stadt. Dort ist es leichter, alles im Auge zu behalten. Los, bereitet alles für den Umzug vor!«

Kapitel 28
    Am Anfang war es nicht leicht, sich in einem Haus einzurichten, bei dem viele Zimmer noch nicht fertig waren. Baumeister, Stuckateure und Zimmerleute liefen überall herum, und man musste aufpassen, dass man nicht an die wackeligen Gerüste stieß. Eimer mit Farben und Putz standen in den Fluren, und kleine Berge von Schutt und Holz machten das Chaos perfekt. Die Pflanzen im Patio waren von einer weißen Schicht überzogen und verwelkten. Gilberta kam gar nicht mehr nach, sie abzuspritzen und wiederzubeleben. Wie ein feiner Nebel breitete der Staub sich aus. Er legte sich auf die Gegenstände und ließ Haut und Lippen trocken werden. Jimmy konnte kaum atmen, und so hielt er sich die ganze Zeit in einem Raum im hinteren Teil des Hauses auf, bei dem die Türritze mit einem feuchten Tuch abgedichtet war.
    Trotz all dieser Widrigkeiten war Melody glücklich. Zum ersten Mal seit vielen Jahren fühlte sie sich wirklich als Herrin im eigenen Haus. Die Tage vergingen, und langsam kehrte Ordnung ein. Sie konnte es kaum erwarten, Blackraven am Ende des Tages von den Neuerungen zu berichten: die frisch gepolsterten Stühle, der neue Eichenholzfußboden, die Samtvorhänge, die neuen Gemälde. Es war eine kühne Idee von Béatrice gewesen, die Wände des Salons mit goldfarbener Seide zu tapezieren, die im Licht der vielen Kerzen von den imposanten Kristalllüstern und den Wandleuchtern glitzerte.
    Nach der Einweihung erzählte Marica Sánchez de Thompson, im ganzen Vizekönigreich gebe es keinen solchen Saal; man müsse
sich einen Fächer vor Augen halten, damit man nicht geblendet werde. Melchora Sarratea lästerte, so etwas sei während der Fastenzeit einfach »skandalös«.
    Wie gewohnt empfing der Schwarze Engel sonntags zur Zeit der Siesta die Sklaven. Oft brachten diese aus Dankbarkeit Geschenke mit, und das Haus füllte sich mit Tieren, Eingemachtem, Nippes, Holzarbeiten und Perlenketten. Obwohl Melody wusste, dass es für diese Menschen ein großes Opfer war, sich von diesen Dingen zu trennen, nahm sie sie an. Abzulehnen wäre eine grobe Unhöflichkeit gewesen. Auf Umwegen gelangten die Geschenke wieder zurück zu den Armen, denn Melody spendete sie Pater Mauro für sein Waisenhaus, bis auf eine kleine Ziege, an der Jimmy den Narren gefressen hatte.
    Manchmal sehnte sich Melody nach El Retiro zurück, nach der Einsamkeit und Weite, nach dem Fluss, den Wäscherinnen, nach ihren Ausritten und nach dem Bett, in dem Blackraven sie zum ersten Mal geliebt hatte. Sie war in diesem Haus ein anderer Mensch geworden, und all die Erinnerungen würde sie ihr Leben lang bewahren. Doch sie musste zugeben, dass auch das Stadtleben seine Vorteile hatte. Sie hatte einen Arzt in der Nähe, falls Jimmy oder Víctor wieder einen Anfall hatten – obwohl sie bei Letzterem inzwischen nahezu ausblieben –, sie konnte Elisea besuchen und mit ihr jeden Tag auf die Alameda fahren, und natürlich auch Guadalupe und den kleine Marianito. Außerdem hatte sie eine Vielzahl von Geschäften in Reichweite und konnte die Arbeiten am Haus überwachen.
    Blackraven war voller Stolz und Bewunderung. Seiner Frau war das neue Leben nicht zu Kopf gestiegen. Er genoss es, mit ihr am Arm bei den Empfängen zu erscheinen. Ihrem unschuldigen, offenherzigen Charme konnten sich auch die Einwohner von Buenos Aires nicht entziehen.
    Seitdem Melody ihm das Medaillon geschenkt hatte, das er in seiner Tasche trug, schaute er sich seine Frau immer wieder an.
Der Künstler hatte sie gut getroffen: diese engelhafte Ausstrahlung ihrer feinen Züge, aber auch den Mut und die Entschlossenheit in ihrem Blick.
    »Möchtest du eine Locke von meinem Haar haben, um sie darin aufzubewahren?«, hatte sie gefragt. Er hatte genickt.
    Es war eine Qual, dass die Zeit so schnell verflog. Bald würde der Moment kommen, an dem er Buenos Aires verlassen musste. Er konnte sich nicht mehr vorstellen, ohne Isaura zu leben, und er hatte Angst davor. Doch diese Reise hatte noch andere weitreichende Folgen: Der Aufbau des Unabhängigkeitsheeres

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