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Dem Winde versprochen

Dem Winde versprochen

Titel: Dem Winde versprochen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florencia Bonelli
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werde ich dich in drei Jahren, gezählt vom heutigen Tage an, zu einem freien Mann machen.«
    Die beiden Männer machten sich auf den Weg nach El Retiro.
Somar ritt schweigend neben Servando her. Der Sklave hatte sich an diesen exotischen Mann gewöhnt, der so sonderbar gekleidet war und so furchteinflößend aussah. Auch wenn er äußerlich wie ein Teufel wirkte, sagte man ihm nach, dass er ein guter Mensch war. Nie hatte jemand beobachtet, dass er einen Sklaven quälte oder strafte. Man munkelte, er sei in Miora verliebt, denn Siloé hatte ihn schon mehrfach dabei ertappt, wie er ihr mit verzücktem Blick beim Nähen zuschaute. Sein Spanisch war schlecht, aber für das Nötigste reichte es.
    Kaum hatten sie den Zanjón de Matorras überquert, sagte Somar: »Du musst wissen, die Gräfin ist in Gefahr. Da läuft eine Frau herum, die ihr schaden will. Enda Feelham ist ihr Name, sie ist die Tante der Herrin. Sie fällt sofort auf unter den Leuten hier: Sie hat blondes Haar und weiße, fast durchsichtige Haut.«
    »Wie die Frau Gräfin?«
    »Noch heller. Und sie hat vorstehende hellgrüne Augen wie ein Reptil. Sie ist klein und kommt wie eine arme Frau daher, ist aber hinterlistig wie eine Schlange. Sie darf der Herrin auf keinen Fall zu nahe kommen.«
    Servando nickte, und Somar verfiel wieder in die ihm eigene Schweigsamkeit. Servando dachte, ihr Ziel sei El Retiro, doch sie ritten weiter Richtung Fluss. Mit Eintritt des Herbstes wurde es früher dunkel, und als sie das Flussufer erreicht hatten, ließ der Einbruch der Nacht bereits die Konturen verschwimmen. In der Ferne konnte man auf der Anhöhe die Umrisse von El Retiro erahnen.
    Servando war noch nie an diesem Teil des Flusses gewesen, der ziemlich weit vom Schlachthof entfernt gelegen war, am nördlichsten Teil des Anwesens. Sie erreichten die Böschung, die bis ans Wasser mit Unkraut und dicht mit Efeu bewachsen war. Somar hielt an und deutete auf ein paar Steine direkt am Wasser.
    »Merk dir diesen Felsen. Auf dieser Linie befindet sich der Eingang zu dem geheimen Ort.«
    Mit Hilfe seines Säbels schob er den Efeu beiseite, ohne ihn zu durchschneiden, und legte eine Öffnung frei, durch die sie beide gebückt in einen Gang klettern konnten. Es handelte sich um einen solide gebauten Tunnel mit Wänden aus Ziegelsteinen und Stützpfeilern aus Quebrachoholz. Sie konnten sich nur geduckt vorwärtsbewegen. Es roch muffig nach Feuchtigkeit und Fäulnis. Der Boden war glitschig und die Geräusche, die wie ein Echo widerhallten, kündeten von Tieren. Somar zeigte ihm die Fackeln an den Wänden.
    »Hin und wieder kommst du her und überprüfst, ob die Fackeln noch in Ordnung sind. Ohne sie kommst du in dieser Dunkelheit nicht weit.«
    Servando erschien der Weg ewig. Noch dazu war es entsetzlich stickig. Es erinnerte ihn an das Sklavenschiff, mit dem er aus Afrika gekommen war, und ihm brach der kalte Schweiß aus. Er hoffte, er müsste nie an diesen furchtbaren Ort zurückkehren. Ihm wurde schon übel, als er plötzlich merkte, dass die Luft frischer und angenehmer wurde. Sie taten noch ein paar Schritte und standen dann in einem riesigen quadratischen Raum, in den ein ganzes Heer samt Montur gepasst hätte. Somar ließ das Licht der Fackel über einige Bündel und an der linken Wand aufgestapelte Strohsäcke gleiten.
    »Hier ist Proviant für mehrere Wochen. Dörrfleisch, Zwiebeln, getrockneter Fisch, Gemüse, alles, was man so auf dem Schiff isst. Das Wasser musst du aus dem Fluss holen. Genau wie bei den Fackeln überprüfst du regelmäßig, dass nichts verdorben oder wurmstichig ist. Das machen wir jetzt auch, denn ich war seit Wochen nicht mehr hier. In dieser Holzkiste liegen Zunder, Öllampen, Chinintabletten zur Reinigung des Wassers, Pflaster, Weinschläuche, Brandy und noch viel mehr. Du kannst nachher selbst nachschauen.«
    »Wo führt diese Öffnung hin?« Servando zeigte auf eine Art Tür aus Holz, die gegenüber des Ganges lag.
    »Wir befinden uns unter den Baracken von El Retiro.«
    »Oh, deshalb sind wir so weit gelaufen.«
    »Die Tür führt in den Stall. Hier, das sind die Schlüssel. Nur im äußersten Notfall darfst du ins Haus gehen.«
    Sie nahmen die Lebensmittel in Augenschein, warfen ein paar verfaulte Zwiebeln und verschimmelte Kekse weg. Auf dem Rückweg in die Stadt wechselten sie kein Wort.
     
    Weil an dem Tag ein kühler Südwind aufgekommen war, beschloss Melody, statt des Ausflugs Elisea zum Tee einzuladen. Elisea kam in Begleitung ihrer

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