Dem Winde versprochen
nicht doch ein wenig Angst hatte. »Ich unterrichte sie in meiner Freizeit«, fügte sie schnell hinzu.
»Schüler? Seit wann müssen Sklaven lesen und schreiben lernen, oder gar rechnen?«
Melody ließ den Striegel fallen und schloss die Kinder in ihre Arme.
»Auf, ihr Lieben.« Blackraven bemerkte einen Hauch von Unsicherheit in ihrer Stimme. »Geht zu euren Müttern. Weine nicht, Camila.« Sie ging in die Hocke und strich dem Mädchen über die Wangen. »Morgen kommt ihr wieder, ja?« Blackraven fluchte. »Auf, nehmt euch an der Hand. Und vergesst nicht, später wiederzukommen, bevor die Sonne untergeht. Siloé wird euch ein Glas Milch geben.«
»Ein Glas Milch!«, empörte sich Blackraven.
»Würden Sie jetzt endlich den Mund halten?« Sie baute sich
vor ihm auf. »Haben Sie denn kein Herz, dass Sie diese Kinder wie Tiere behandeln?«
Blackraven war verwirrt. Dann schämte er sich, ein Gefühl, das er gar nicht an sich kannte. ›Dieses gottverdammte Mädchen!‹, dachte er erzürnt.
»Es ist leicht, die Sachen anderer zu verschenken«, sagte er, als sie allein waren. »Denn ich kann wohl davon ausgehen, dass die Milch, die Sie so großzügig verteilen, nicht von Kühen aus Ihrem Besitz stammt. Oder irre ich mich, Señorita Isaura?«
»Nein, Sie irren sich nicht, Mister Blackraven.«
»In Kürze werden sich alle Neger aus Buenos Aires hier versammeln und um einen Teller Essen betteln.«
»Jetzt weiß ich, was Jesus gemeint hat, als er sagte, eher ginge ein Kamel durch ein Nadelöhr als dass ein Reicher in den Himmel käme.«
»Es reicht!«, schrie Blackraven, und Melody wich zurück, bis sie an Fuoco stieß. »Sie haben genug geredet. Von jetzt an gilt: Keine Milch für Kinder, die nicht von meinem Gut stammen.«
»Mister Blackraven, bitte, die Milch ist übrig, die Bewohner von Retiro sind bereits verköstigt. Manchmal wird sie schlecht. Bitte, nehmen Sie den Kindern nicht diese Nahrung, es ist vielleicht die einzige, die sie bekommen.«
Blackraven brachte sie mit einem Peitschenhieb in die Luft zum Schweigen.
»Señorita Isaura, Sie sind nicht in der Position, etwas von mir zu fordern. Sie haben sich bei meinen Leuten und auf meinem Gut so vieles geleistet, dass man Sie ins Gefängnis werfen sollte. Ich stelle die Frage nur ein einziges Mal: Wo halten Sie meine Sklavin versteckt, die mich fast vierhundert Pesos gekostet hat?«
»In Gesetz Nummer vier, Abschnitt zweiundzwanzig der Urkunde Nummer vier des Sklavengesetzes wird festgelegt, dass
eine geschändete Sklavin nicht mehr ihrem Herrn verpflichtet ist.«
Blackraven amüsierte es, welche Bedeutung das Mädchen diesen Buchstaben beimaß. Bestimmt hatte ihr das dieser Taugenichts von Covarrubias beigebracht.
»Ich sehe, Sie kennen sich aus auf dem Gebiet und Sie trauen sich, Dinge auszusprechen, die eine Dame in meinem Land nicht einmal zu denken wagen würde. Glückwunsch. Aber das tut hier nichts zur Sache. Noch einmal: Wo ist meine Sklavin? Sie ist mein Besitz, und ich will sie zurück.«
»Ihre Sklavin, mein Herr, heißt Miora. Und sie ist in einem Versteck. Ja, ich habe sie dorthin gebracht. Damit sie geschützt ist. Was für ein Mann sind Sie, dass Sie Ihren Besitz skrupellosen Gestalten wie Don Alcides und Don Diogo überlassen? Miora wurde geschändet und ihr Recht auf Ehre verletzt. Wie können Sie von mir verlangen, ich soll sie jemandem zurückgeben, der ihr solchen Schmerz zugefügt hat?«
»Was mit der Sklavin geschieht, ist meine Entscheidung und nicht Ihre. Und jetzt sagen Sie mir, wo Sie sie versteckt haben.«
Blackraven ging so schnell auf sie zu, dass es ihr die Sprache verschlug. Er drückte ihr die Reitgerte unters Kinn und sagte dann leise: »Täuschen Sie sich nicht in mir. Ich bin nicht Valdez e Inclán.«
Melody hielt den Atem an.
»Soweit ich weiß, haben Sie ihn mit Klagen und Skandalen überzogen. Mir sind Skandale und Rechtsstreitigkeiten völlig gleichgültig. Wenn Sie nur einen Funken Verstand haben, hören Sie mit dem Blödsinn auf und geben mir die Sklavin zurück. Falls nicht, werde ich Sie wegen Raubes anzeigen. Ich will nicht daran denken, was aus Ihrem Bruder wird, wenn Sie im Gefängnis sitzen.« Er ließ die Worte verhallen. »Lösen Sie Ihr Haar!«, befahl er dann plötzlich.
Melody starrte ihn an.
»Ich sagte, Sie sollen Ihr Haar lösen.«
»Das Haar?«
»Tun Sie es, oder soll ich es tun?«
Seine Haltung hatte etwas derart Gebieterisches, dass es ihr unmöglich war, sich zu verweigern. Sie nahm
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