Dem Winde versprochen
zurück. In Buenos Aires wirst du niemanden antreffen. Wenn du bis Ende März wartest« – schlug Béatrice vor in der Hoffnung, ihn noch länger dabehalten zu können –, »wären bestimmt alle angetan von der Idee.«
»Ich denke, ich werde meinen Adelstitel in die Waagschale werfen. Glaubst du nicht, dass sie alle aus ihren Sommerverstecken gekrochen kommen und auf ihren Eseln in die Stadt zurückreiten, wenn sie hören, dass der Graf von Stoneville einlädt?«
Béatrice lächelte. »Dann kann ich auch Mister Traver einladen, nicht?«
»Wir werden sehen.«
»Wohin gehst du?«, fragte sie, als Blackraven aufstand.
»Ich will eine Runde auf dem Gut drehen und mir anschauen, was deine geliebte Miss Melody angerichtet hat.«
Melodys Vater, Fidelis Maguire, hatte das Glendalough-Tal im Osten Irlands, aus dem er stammte, ins Herz geschlossen. Obwohl er nie gereist war, war er der Meinung, es gebe keinen schöneren Ort. Er stand gerne auf den Hügeln der Wicklow-Mountains und betrachtete die Landschaft: das satte Grün der Felder, das Kobaltblau der Seen und das helle Blau des Himmels.
Auch wenn die Maguires nicht zu den wichtigsten Familien zählten, besaßen sie doch eine Parzelle Land, die sie über die Jahrhunderte hinweg tapfer bearbeitet hatten. Das Land und seine Erträge waren ihr größter Stolz und das Erbe für künftige Generationen. Sie hätten nie damit gerechnet, dass sie es eines Tages verlieren würden. Doch dann verlangten englische Gesetze immer höhere Steuern. Die Maguires befanden sich in der Situation, entweder für ihr Hab und Gut zu kämpfen oder Land und Stolz zu verlieren und Hunger zu leiden.
Das Oberhaupt des Klans, Seamos Maguire, entschied, dass er und seine beiden älteren Söhne, Fidelis und Jimmy, sich einer geheimen Widerstandsvereinigung anschließen sollten, die auf der Insel immer mächtiger wurde. Trotz seiner Jugend merkte Fidelis sehr bald, dass die Männer, die sich bei diesen geheimen Treffen einfanden, zwar voller Wut und Groll waren, aber ohne genügend Macht und Geld, um dem British Empire trotzen zu können. »Nichts als leere Worte«, murmelte er. Trotzdem ging er weiter hin, weil er sich nicht traute, sich dem Befehl des Vaters zu widersetzen.
Bis der Moment gekommen war zu handeln. Nach langen Monaten fruchtloser Diskussionen entschieden sich die Widerständler, den Feind anzugreifen. Sie wählten den englischen Grafen Grosvenor aus, dem sie eine Pacht für das Recht zahlen
mussten, ihr eigenes Land zu beackern, und der ihnen verbot, in den Revieren zu jagen, die ihnen seit Saint Patricks Zeiten gehörten.
Sie wussten, dass Graf Grosvenor einmal im Monat nach Dublin reiste, um die Oper zu besuchen. Sie wollten seine Kutsche überfallen, ihn entführen und Lösegeld verlangen. Geld, das war die Nahrung, aus der sich der Aufstand speiste: für Waffen und Munition, als Zahlungsmittel für Informanten, Transporte und andere grundlegende Sachen. Was das Schicksal des Engländers anging, so hatten sie sich darauf geeinigt, ihn zu töten und den Kopf in einer Kiste verpackt an seine Familie zu schicken. Fidelis gehörte zu der Gruppe, die die Kutsche überfallen und ihn in das Versteck bringen sollte. Er ging den Plan mehrfach durch und konnte keinen Fehler entdecken.
Dennoch ging die Sache schief. Mehrere Widerständler kamen dabei ums Leben. Fidelis und zwei seiner Gefährten wurden verhaftet. Jemand hatte sie verraten, ein Maulwurf, der alle Details genau kannte. Es war die Zeit der Hungersnot, und ein paar klingende Münzen machten aus dem patriotischsten Iren einen Spion und Verräter. Fidelis kam erst dann der Gedanke, dass sie verraten worden waren, als er auf die fahrende Kutsche aufsprang und anstatt des Grafen drei seiner Leibwächter in der Kabine vorfand. Ungläubig starrte er in ihre Gesichter, bis er durch einen Schlag mit einem Gewehrkolben bewusstlos niedersank. Draußen herrschte das reinste Chaos: Schreie, Schüsse, Gewieher.
In der Zeit seiner Gefangenschaft wollte Fidelis nichts weiter als sterben. Aber seine Häscher brauchten ihn lebend, um die Informationen aus ihm herauszuholen, die ihnen helfen würden, das Komplott zu zerschlagen, das der britischen Regierung ein Dorn im Auge war. Sie folterten ihn bis zur Bewusstlosigkeit, stellten ihn wieder her und machten weiter, alles ohne Erfolg. Man brachte ihm Schnittwunden bei, riss ihm die Nägel aus,
brach seine Knochen, doch nichts konnte ihn zum Reden bringen. Inmitten unvorstellbarer
Weitere Kostenlose Bücher