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Dem Winde versprochen

Dem Winde versprochen

Titel: Dem Winde versprochen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florencia Bonelli
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später überquerten sie eine marode Holzbrücke über einen kleinen Fluss mit wenig Wasser und kamen in die Real Compañía de Filipinas, die voll mit weiteren Sklaven war. Sie hatten keine Kraft mehr. Servando suchte sich ein Eckchen und schlief auf dem nackten Boden sofort ein.
    Am nächsten Morgen wurde Essen verteilt. Stunden später führte man sie zu einem Fluss, der so breit war, dass man ihn für das Meer hätte halten können. Man zwang sie, sich auszuziehen und in das eisige Wasser zu gehen. Servando tauchte ein und rieb seine Haut an einem Stein ab, weil er diesen fürchterlichen Gestank loswerden wollte, von dem er schon glaubte, er habe sich für immer auf seiner Haut festgesetzt. Das Wasser tat seinen Muskeln gut und gab ihm einen Teil seiner Energie zurück.
    Wieder in der Baracke, wurden sie in Reihen aufgestellt, Frauen
auf der einen, Männer auf der anderen Seite. Am Tag davor waren die Kinder an einen anderen Ort gebracht worden, und es war zu herzzerreißenden Szenen gekommen, als man die Kleinen von ihren Müttern wegriss.
    Die Angestellten begannen mit der Abmessung und Bewertung. Es war ein erniedrigender Moment, wenn die dreckigen Finger der Händler in ihren Mündern herumtasteten, ihre Genitalien berührten und ihre Pobacken auseinanderschoben.
    Was dann kam, würde Servando nie vergessen. Die Brandmarkung, die sie immer daran erinnern sollte, dass sie Sklaven waren. Die Sklaven ahnten, was sie erwartete, als die Angestellten mit den glühenden Eisen auf sie zukamen. Sie versuchten zu fliehen, aber nichts konnte die Prozedur aufhalten. Und so wurde das Zeichen der Real Compañía de Filipinas für immer in Servandos Schulterblatt gebrannt. Er taumelte vor Schmerz und fiel auf die Knie. Die Stirn auf dem Boden, drückte man ihm einen weiteren Stempel auf das zweite Schulterblatt – die Bestätigung, dass man für dieses ›Stück‹ die entsprechenden Steuern gezahlt hatte. Wie er die Weißen hasste!
    Doch nicht alle. Miss Melody verehrte er, nicht weil sie die Erste war, die ihm Mitleid entgegengebracht hatte, sondern weil sie ihn wie einen Menschen behandelte. Am ersten Tag im Hause Valdez e Inclán hatte Miss Melody persönlich mit der Hilfe von Señorita Leonilda und des Freigelassenen Papá Justicia bei Miora und ihm die Wunden behandelt, die nicht heilen wollten und sich entzünden konnten. Sie hatte eine übelriechende Salbe aufgetragen, die sogleich Wirkung zeigte, und sie hatte ihnen einen gelben, süßen Tee gegeben, von dem sie in einen erholsamen Schlaf gesunken waren.
    Mit endloser Geduld hatte sie ihm Spanisch beigebracht. »Du bist sehr intelligent«, hatte sie ihn immer wieder ermutigt. »Du lernst schnell.« Von den alteingesessenen Sklaven wusste er, dass dank ihr die Qualen durch Don Alcides und Don Diogo aufgehört
hatten und dass sie nicht nur den Sklaven aus dem eigenen Haus half, sondern auch denen der Nachbarn. Der Ruf von Miss Melodys Wohltätigkeit war längst in die feinen Salons von Merced, Montserrat und El Alto vorgedrungen. Die Sklaven in den Vierteln Mondongo und Tambor am Flussufer hatten auch schon gehört, wie man voller Ehrfurcht ihren Namen erwähnte.
    Miss Melody hatte Servando gebeten, ihr seine Erfahrungen bei der Real Compañía de Filipinas zu beschreiben; sie zeigte ein besonderes Interesse an der Lage der einzelnen Gebäude. Schließlich hatte Servando ihr von seinen bitteren Erfahrungen erzählt, angefangen von dem Tag, an dem Pangú und seine Männer ihn gefangen hatten, bis hin zu dem, an dem Diogo den horrenden Preis für ihn gezahlt hatte.
    »Jetzt bin ich weniger als ein Tier«, sagte Servando mit gebrochener Stimme.
    Melody umarmte ihn, was ihm unangenehm war, denn lange schon hatte ihn niemand mehr berührt, und sagte weinend: »Babá, geliebter Babá, das tut mir so leid. Es tut mir so leid, was die Meinigen dir und so vielen anderen von euch angetan haben. Hör zu: Du bist kein Tier. Du bist ein wunderbarer Mensch. Das darfst du nie vergessen.«
    Wenn er an Miss Melodys Worte dachte, war er gerührt. Für sie riskierte er jetzt Kopf und Kragen. Er wusste, wie brennend es sie interessierte, was mit Tomás und Pablo geschehen war. Er rannte das letzte Stück bis zum Lager der fahrenden Händler. Von weitem sah er am Ufer die Wäscherinnen, die die ausgelegten Laken einsammelten und in die Wäschekörbe legten. Kinder tollten herum, verscheuchten Vögel und ließen Steine über das Wasser schnellen. Er fragte sich, ob sie wohl ihre Milch

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