Dem Winde versprochen
üblich dachte sie über all das nach, was niemals hatte sein können. Zum Beispiel, dass sich Fidelis Maguire in sie verlieben würde. Fidelis hatte nie mehr als Zuneigung und Dankbarkeit für sie empfunden. Sie hatte den Heiratsantrag seines Bruders James angenommen, weil sie so in Fidelis’ Nähe sein konnte, in der Hoffnung, dass er sich früher oder später in sie verlieben würde.
Ihr Plan war ernsthaft in Gefahr, als Fidelis davon sprach, Irland zu verlassen. Nach den Folterqualen im Gefängnis war er nicht mehr zur Ruhe gekommen. Er lebte versteckt – die englischen Behörden hielten ihn für tot – und in ständiger Angst, verraten zu werden. Damals war Enda bereits schwanger gewesen und sie hatte ihren Mann nicht überreden können, gemeinsam mit dem Bruder die Reise auf den neuen Kontinent anzutreten.
Am Morgen, als Fidelis zum Hafen von Cork aufbrach, um das erste Schiff in die Vereinigten Staaten zu nehmen, hatte sie heimlich geweint.
Die Maguires glaubten, dass Fidelis beim Untergang der
Saint Bridget
umgekommen war, denn es war das einzige Schiff, das in jenen Tagen Richtung Amerika in See gestochen war. Sie konnten nicht wissen, dass Fidelis im letzten Moment einen Spanier kennengelernt hatte, der ihm von all den Schätzen des Vizekönigreichs am Río de la Plata erzählte und ihn überredete, zusammen mit ihm sein Glück in diesen fernen südlichen Gefilden zu suchen. Es vergingen Jahre, bis die Maguires von Fidelis’ Schicksal erfuhren, der arm, nur mit Hoffnung und einem starken Willen im Gepäck aufgebrochen war, um es in einer spanischen Kolonie am Ende der Welt zu Ansehen und Wohlstand zu bringen.
Und wieder weinte Enda heimlich, diesmal vor Glück. Ihr Leben hatte wieder einen Sinn, denn auch wenn sie ihren Sohn Paddy abgöttisch liebte, hatte sie sich ohne Fidelis nur wie ein halber Mensch gefühlt.
James machte ihr unmissverständlich klar, dass er seine Heimat nicht verlassen würde, auch wenn sein Bruder es in einem anderen Land zu Wohlstand gebracht hatte. Enda war keine Frau, die gerne stritt. Wenn ihr Mann ihr widersprach, rief sie einfach die magischen Kräfte an.
Wenige Tage später erkrankte er, und es ging ihm mit jedem Tag schlechter, obwohl seine Frau sich um ihn kümmerte. Weil sie nicht genug Geld hatten, um den Dorfarzt aufzusuchen, konsultierten sie die Heilerinnen, doch kein Trunk oder Ritus konnte James’ Krankheit Einhalt gebieten. Er wälzte sich auf seinem Strohlager hin und her und erbrach sich.
Den Leuten im Dorf war Enda seit jeher nicht geheuer gewesen. Manch einer behauptete sogar, sie sei eine Giftmischerin. Seamos Maguire und seine Frau schenkten den Gerüchten keinen
Glauben. In ihren Augen war Enda eine gute Frau, die Fidelis das Leben gerettet hatte.
Nach dem Tod ihres Mannes verlor Enda keine Zeit und schrieb Fidelis einen Brief, in dem sie ihn um Hilfe bat: »Seit mein geliebter James gestorben ist, leiden Paddy und ich bittere Not. Deshalb bitte ich dich, seinen Bruder, dass du deinen Neffen und mich in deinem Haus aufnimmst, wo wir dir bestimmt sehr nützlich sein werden.« Fast ein Jahr später kam Fidelis Antwort, zusammen mit einem beachtlichen Geldbetrag, der von seinem Reichtum kündete.
Doch als Enda auf die Estanzia Bella Esmeralda kam und ihre Schwägerin Lastenia kennenlernte, war ihre Enttäuschung groß. Die Frau von Fidelis war von unbestreitbarer Schönheit und hatte die Manieren einer Prinzessin.
»In deinen wenigen Briefen hast du mir nie gesagt, dass du eine Frau und drei Kinder hast.«
»Meine Eltern haben erwartet, dass ich nach Irland zurückkehre«, rechtfertigte sich Fidelis. »Sie hätten es mir nie verziehen, dass ich eine Frau von hier genommen habe. Deshalb habe ich es verschwiegen.«
Eines Morgens zog Enda sich warm an und ging spazieren. Sie musste nachdenken. Keine Beschwörung wollte bei Lastenia wirken, und sie verlor allmählich die Geduld. Sie ging in den Wald und setzte sich auf einen Baumstumpf. Verzweifelt schloss sie die Augen und rief ihre magische Beschwörung so hingebungsvoll aus, dass sie, als sie wieder zu sich kam, nicht wusste, wo sie war. Sie schaute auf und starrte verwundert auf den Pilzteppich, der vorher noch nicht da gewesen war. Ihr Herz hüpfte vor Freude; sie hatte eine Idee.
Sie suchte so lange, bis sie unter einem Blatt einen Giftpilz gefunden hatte, mit dem man ein Pferd hätte töten können. Sie steckte ihn in ihre Schürze und eilte nach Hause.
Wie sie richtig vermutet hatte, gab es
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