Dem Winde versprochen
durfte. Er stürzte sich in die Arbeit, doch Melody ging ihm einfach nicht aus dem Kopf. Er musste immerzu an sie denken, egal ob er mit den Freiheitskämpfern diskutierte oder die Bauarbeiten an der Gerberei überwachte, ja selbst in Gesellschaft der ein oder anderen vornehmen Dame, während man ihm den Tee servierte und ihm schmeichelte.
Nachts, allein im Haus in der Calle San José, nährte er seinen Groll und trank ein Glas Roséwein nach dem anderen. Betrunken schleppte er sich ins Bett, wo er von ihr träumte und mitten in der Nacht schweißgebadet aufwachte. Er machte sich Vorwürfe, dass er sich von einem Gefühl beherrschen ließ, das an seinen Kräften zehrte, die er gerade so dringend brauchte. Er wusste, wie tief und anhaltend dieser Schmerz sein konnte. Er war schon einmal in seinem Leben durch diese Hölle gegangen.
Melodys Verhalten irritierte ihn. Ihre Freiheit war ihr wichtiger als er. Normalerweise hatten Frauen eher Angst vor Freiheit und suchten den Schutz eines Mannes und seines Geldes. In dieser Hinsicht war er die perfekte Wahl. Jede Frau hätte dem Teufel ihre Seele verkauft, um seine Geliebte und erst recht, um seine Frau zu werden. Der Graf von Stoneville war einer der begehrtesten Junggesellen unter den Frauen der Gesellschaft.
Doch Isaura Maguire konnte er mit all dem nicht beeindrucken. Er würde sich schon etwas Besseres einfallen lassen müssen
als ein Brillantcollier, um sie zurückzuerobern. »Dieses verdammte Mädchen!«, sagte er immer wieder und schlug mit der Faust auf den Tisch. Er quälte sich mit dem Gedanken, wie Melody wohl diese Tage der Trennung ertrug, und dass sie wahrscheinlich glücklich war, solange sie nur ihren Sklaven helfen konnte. Er zählte für sie weniger als ein Sklave. Was war Isaura Maguire für ein Mensch? Wo kam sie her?
Er konnte sich nicht damit abfinden, sie verloren zu haben. Für ihn gab es keine Niederlagen. Er würde Isaura zurückholen, ganz gleich, wie. Ein junges Mädchen von einundzwanzig Jahren würde ihn nicht in diesen Zustand versetzen. Niemand hatte so viel Macht über seine Gemütslage. Isaura Maguire würde ihre Launen mit der Zeit schon vergessen. Sie gehörte ihm.
Am Samstag aß er gerade zu Mittag, als ein Sklave mit einer Nachricht von Béatrice im Stadthaus auftauchte. »Deine tagelange Abwesenheit ohne jede Nachricht erfüllt mich mit Sorge. Ich frage mich, ob es damit zu tun hat, dass Miss Melody den Verlobungsring nicht mehr trägt. Auf jeden Fall wollte ich dich daran erinnern, dass morgen um fünf die Gäste zu unserer Soirée kommen. Es wäre ein großer Affront, wenn der Graf von Stoneville sie nicht hier empfangen würde.«
Damit hatte er einen Vorwand zurückzukehren. Aber vorher hatte er noch ein paar Dinge in der Stadt zu erledigen. Zunächst musste er sich zur Residenz des Vizekönigs begeben, wo dieser schon auf ihn wartete. Er hatte Marqués de Sobremonte am Tag zuvor bei Gaspar de Santa Coloma getroffen, und dieser war sehr interessiert, den rätselhaften Grafen von Stoneville, über den er so viel gehört hatte, unter vier Augen zu sprechen.
Sobremonte persönlich empfing ihn in der Eingangshalle und führte ihn in sein Arbeitszimmer.
»Ein Gläschen Sherry? Er ist ganz vorzüglich.«
»Sehr gern, Exzellenz.«
Rafael de Sobremonte war ein angenehmer Mensch, der eher
für das gesellschaftliche Leben geschaffen war als dafür, eine Kolonie zu verwalten. In seinen Jahren als Truppenunterinspekteur unter den Vizekönigen Avilés und del Pino hatte er ein gewisses militärisches Geschick gezeigt.
Er machte einen besorgten Eindruck auf Blackraven. Sie unterhielten sich zunächst über belanglose Dinge, obwohl der Vizekönig offensichtlich am liebsten gleich zu dem Thema gekommen wäre, das ihm den Schlaf raubte: die Möglichkeit einer englischen Invasion.
»Im vergangenen Herbst«, sagte er, »sind Schiffe Ihres Landes in Brasilien vor Anker gegangen. Meine Informanten sagten mir, ein gewisser Popham führe die Flotte an. Kennen Sie ihn, Exzellenz?«
Blackraven kannte ihn nur zu gut.
»Ich habe von ihm gehört«, erwiderte er.
Er hatte keine besonders hohe Meinung von Sir Home Riggs Popham. Für ihn war er ein Abenteurer mit einer Piratenseele, der unter dem Deckmantel eines ehrenvollen Postens der britischen Marine angehörte. Seine Freundschaft mit einem anderen finsteren Gesellen, Francisco de Miranda, bestätigte diesen Verdacht nur noch. Vor etwas mehr als einem Jahr, im Oktober 1804 , hatte Blackraven
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