Dem Winde versprochen
an dem Tag wieder ein
Pilzgericht. Sie nutzte einen unbemerkten Moment und streute winzige Stückchen des Pilzes auf einen Teller, den sie dann auf Lastenias Platz stellte.
Wenige Stunden nach dem Mittagessen zog Lastenia sich mit Leibschmerzen zurück und bat um einen Tee.
»Du solltest keine Pilze essen«, warf ihr Fidelis vor. »Du hast einen empfindlichen Magen.«
Die Leibschmerzen hielten an und wurden zu Krampfanfällen. Der Arzt brauchte für die Diagnose nur wenige Minuten: Pilzvergiftung. Er verschrieb ihr Abführmittel und Einläufe sowie einen Aderlass, doch das Krankheitsbild verschlimmerte sich nur noch. Und so starb Lastenia unter qualvollen Schmerzen. Fidelis war außer sich vor Trauer.
Zwei Jahre später hatte Enda ihr eigentliches Ziel immer noch nicht erreicht. Fidelis konnte Lastenia nicht vergessen und ignorierte Endas Bemühungen, ihn zu erobern. Als es ihm zu viel wurde, gab er ihr deutlich zu verstehen, dass er nie wieder heiraten werde. Enda empfand die Zurückweisung als Beleidigung, und die Liebe verwandelte sich in Hass. Nur Paddy war ihr geblieben, und sie verwendete all ihre Kraft darauf, ihn zum alleinigen Besitzer von Bella Esmeralda zu machen.
Da Pilze seit Lastenias Tod im Haus verboten waren, entschied Enda sich für Arsen, denn das weiße Pulver war in kleinen Dosen leicht beizumischen und tötete das Opfer, ohne dass man etwas nachweisen konnte.
Alle glaubten, Fidelis sei an gebrochenem Herzen gestorben. Aber obwohl einige, wie der Verwalter Domingo, den Verdacht hegten, dass das Ganze nicht mit rechten Dingen zugegangen war, wurde Fidelis beerdigt, ohne dass es eine Anzeige oder eine offizielle Untersuchung gab – was auch nichts genutzt hätte, da der Kommissar und der Friedensrichter Bekannte und Komplizen von Paddy Maguire waren.
Enda hatte nicht damit gerechnet, dass ihr Sohn sich in Melody
verlieben würde. Und obwohl sie es eigentlich nicht billigte, dachte sie, dass das ihren Plan noch einfacher machte. Tommy waren sie schon losgeworden, indem sie ihn des Viehdiebstahls bezichtigten, und Jimmy würde bald von allein seinen Eltern ins Grab folgen. So würden nur Melody und ihr Besitz bleiben, und sie stand unter der Vormundschaft von Paddy. Eigentlich konnte nichts schiefgehen.
Aber Enda hatte nicht mit der Hartnäckigkeit und Kühnheit von Melody Maguire gerechnet. Diese hatte in einer Nacht all ihre Träume vom Glück zunichte gemacht, indem sie ihren Sohn niederstach und mit Jimmy floh. Was mochte aus ihr geworden sein? Ob sie von einer Diebesbande oder einem wilden Tier getötet worden war? Endas Gefühle waren widersprüchlich – einerseits wünschte sie ihr alle möglichen Qualen, andererseits hoffte sie inständig, dass sie noch lebte.
Sie hob den Blick und sah, dass es mittlerweile dunkel geworden war. Schwerfällig erhob sie sich von ihrem Stuhl und hüllte sich in eine Mantille, sodass ihr Gesicht nicht mehr zu erkennen war. Man hatte ihr berichtet, ein gewisser Diogo Coutinho habe sich bei Doña Novela eingemietet und würde vor dem Zubettgehen immer noch in Sixtos Kneipe etwas trinken und Karten spielen. Er sollte vor ein paar Tagen nach Capilla del Señor gekommen sein und sich nach Melody erkundigt haben.
Enda wartete in der Nähe der Kneipe im Dunkeln. Mehrmals kamen Gäste heraus, und schließlich trat ein großer, kräftiger Mann aus der Tür, den Enda noch nie gesehen hatte. Er musste es sein: fein gekleidet und gepflegt, auch wenn er schwankte.
»Señor Coutinho?«
Diogo kniff die Augen zusammen und konnte nicht erkennen, wer ihn da rief. Die kleine schwarz gekleidete Gestalt trat ins Licht der Laterne. Sie legte die Mantille ab und zeigt ihm ihr Gesicht.
»Señor Coutinho?«, fragte sie noch einmal.
»Diogo Coutinho, zu Ihren Diensten, Señora«, erwiderte er und verbeugte sich.
»Mein Name ist Enda Maguire. Ich bin Melodys Tante. Man sagt, Sie würden nach ihr fragen.«
»Das stimmt, Señora.«
»Kennen Sie sie?«
»Natürlich kenne ich sie.«
»Geht es ihr gut?«
»Sehr gut.«
»Könnten wir uns an einem geeigneteren Ort unterhalten, Señor Coutinho?«
»Mit dem größten Vergnügen, Señora! Doña Novela hat bestimmt nichts dagegen, wenn wir uns einen Moment in ihr Wohnzimmer setzen. Folgen Sie mir, bitte.«
Kapitel 17
Nach dem Zerwürfnis mit Melody hielt sich Blackraven von El Retiro fern. Zum Teil geschah es aus Stolz, aber auch, weil er es nicht ertragen könnte, sie wiederzusehen und zu wissen, dass er sie nicht berühren
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